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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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Aber: Wer wie ich mehrere Kinder in unterschiedlichen Einrichtungen hat, entwickelt spätestens beim dritten Brief eine ausgewachsene Weihnachtsfestfeierphobie! Nicht nur, weil ich nicht weiß, wie ich so viel Weihnachten in drei hektische Dezemberwochen quetschen soll. Sondern auch, weil auf jedem Weihnachtsfest ein neuer Nikolaus auftaucht, der einen Sack mit Geschenken dabei hat – und damit für gewisse Abnutzungserscheinungen bei meinen Kindern sorgt. Kommt dann der richtige Weihnachtsmann am 24., muss er sich ganz hinten anstellen und einen sehr großen Sack haben, um überhaupt noch beachtet
zu werden. Das ist ärgerlich – denn diesen Sack füllen Jochen und ich! Anstrengend ist Weihnachten aber noch aus anderen Gründen:

DIE ORTSFRAGE: Wer sitzt bei wem an welchem Weihnachtstag unterm Tannenbaum?
    Von vielen Familien weiß ich, dass diese Frage alljährlich in Stress ausartet, weil innerhalb von drei Tagen die Strecke München-Frankfurt-Kempten bewältigt werden muss. Oder Hamburg-Köln-Dresden. Bei uns heißt die Route: München-Bremen-Dinkelsbühl. Genauso gut könnten wir uns vornehmen, in drei Tagen nach Neapel und zurück zu fahren.
    Zweimal haben wir es versucht. Beim zweiten Mal fiel so viel Schnee, dass wir am 22. Dezember in der Rhön stecken blieben und eine Nacht auf der A 7 verbrachten, eingekeilt zwischen LKWs, deren Räder so durchdrehten wie meine Nerven. Erst am nächsten Tag kamen wir im Norden an. Bei dem ganzen Stress hatten sich unsere Kinder ein paar eklige kleine Rota-Viren eingefangen, die sie großzügig weiterverteilten. Sodass Jochen, Opa und Onkel Gunnar am Heiligen Abend spuckend im Bett lagen. Sie müssen zugeben, dass das ziemlich bescheuert klingt. Und genau deshalb bleiben wir seither zu Hause – wir pfeifen auf Kaiser Augustus und seinen Befehl, jeder möge zu Weihnachten an seinen Geburtsort ziehen. Wir verstopfen auch nicht mehr
die Autobahn. Nein, wir machen unseren Kühlschrank voll und warten einfach, wer zu uns kommt. Manchmal ist es die eine Oma, manchmal die andere Tante, manchmal gar keiner. Dann gehen wir Schlittschuh laufen. Und feiern ganz still und leise.

DIE BENIMMFRAGE: Darf man Geschenke umtauschen? Und – wenn ja – welche?
    Zu jedem ordentlichen Familienfest gehören Geschenke. Die Kinder schenken den Mamas selbst gebastelte Kaffeeuntersetzer. Die Omas schenken den Kindern Wanderrucksäcke. Und die Mamas schenken den Papas neue Pullis. »Gefällt er dir?«, fragte ich Jochen letztes Jahr noch unterm Tannenbaum. Jochen wurschtelte sich in den Pulli, zupfte an sich herum, zog die Augenbrauen fragend hoch. Ich blickte auf die XXL-Ärmel und das hängende Bündchen. Der Pulli sah an meinem Mann fürchterlich aus. Und ich kam zu dem Schluss: Papas dürfen Geschenke von Mamas umtauschen, wenn sie entstellende Wirkung haben. Denn keiner sollte am Fest der Liebe aussehen, als hätte ihn niemand lieb. Enkelkinder dürfen auch Wanderrucksäcke umtauschen, wenn die Seitentasche zu klein für die Trinkflasche ist und die Oma den Kassenbon noch hat.
    Anders verhält es sich mit Geschenken von Kindern. Geschenke von Kindern darf man niemals zurückgeben oder fürchterlich finden. Auch dann nicht, wenn sie
fürchterlich sind. Geschenke von Kindern muss man mindestens zwei Monate auf die Wohnzimmerkommode stellen (Pappmaschee-Wolpertinger, Kaffeeuntersetzer aus Wäscheklammern, Blumenvasen aus filzum wickelten Reagenzgläsern, beleuchtete Plastik-Sterne, die »Stille Nacht« dudeln), an den Kühlschrank pinnen (Wachsmal-Bilder, Bügelperlenherzen) oder ins Schlafzimmerfenster hängen (Window-Colours-Kunstwerke, schiefe Strohsterne). Erst nach zwei Monaten kann man vorsichtig versuchen, den Pappmaschee-Wolpertinger in eine sehr hübsche Schachtel zu verfrachten. Reagiert das Kind irritiert, sollte man den Ausstellungszeitraum noch etwas verlängern. Auch die Reagenzglasblumenvase darf man auf keinen Fall einfach verschwinden lassen und behaupten, sie sei beim Fensterputzen runtergefallen. Denn dann bekommt man zum nächsten Fest eine noch schönere Blumenvase geschenkt, die man mindestens sechs Monate auf der Fensterbank stehen lassen muss – wenn man nicht will, dass das Kind ein Trauma erleidet. Apropos Trauma – dies führt mich zum letzten Problem:

DIE KARDINALFRAGE: Verursacht Zungenragout Spätschäden?
    In den meisten Familien gibt es ja eine Weihnachtsessentradition. In meiner Kindheit hieß diese Tradition am Heiligen Abend: Karpfen. Ich fand es damals

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