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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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Weile hatte ich einen Noppenball in der Tasche, den ich vor drohenden Schreianfällen drückte. Dann empfahl mir jemand, ich solle meine Wut mit ein paar Eiswürfeln in die Spüle knallen. Ich finde das aber nur begrenzt alltagstauglich, denn wo, bitte, gibt es in einem gewöhnlichen Kaufhaus, in dem ich eine Schuhtüte stehen lasse, eine Spüle mit Eiswürfeln?

    Das Strafmaß für unerlaubtes Schreien wird in meiner Familie noch diskutiert: Jochen hält Joggen für eine gute Erziehungsmaßnahme, um überschießende Adrenaline zu bändigen. Die Kinder sind für Bußgeld: Wer Geräusche verursacht, die der Nachbar für einen Meteoriteneinschlag hält, muss bezahlen – womit ich bei der nächsten Todsünde wäre: Diebstahl!

ICH BEKENNE MICH SCHULDIG … dass ich kleine Anleger um ihre Ersparnisse bringe
    Klar kriegen unsere Mädels Taschengeld. Denn nur so können Kinder bekanntlich lernen, mit Geld umzugehen. Taschengeld führt allerdings auch dazu, dass Mütter verlernen, mit Geld umzugehen. Bei uns ist es nämlich so: Jette setzt ihre 50 Cent Taschengeld noch an dem Tag um, an dem sie es bekommen hat. Clara hingegen hortet: Taschengeld, Wiesngeld, Schwimmabzeichenbelohnungsgeld. Ihre derzeitigen Spareinlagen belaufen sich auf 105 Euro 80. Sie befinden sich in kleinen Scheinen gut sichtbar in einem Glas auf dem Schrank. Ganz anders ist die Situation in meinem Geldbeutel: Dort sind jede Menge Plastikkarten, aber oft fehlt das Bargeld! Nun trägt es sich häufiger zu, dass ich ganz plötzlich ein paar kleine Scheine brauche: Weil der Obstmann unten im Hof steht. Oder weil mir um 7 Uhr 15 einfällt, dass wir heute das Materialgeld für WTG bezahlen müssen. Da der nächste Bankomat
Kilometer entfernt ist, gehe ich in solchen Situationen gerne an Claras Bestände und lege einen Zettel rein: »20 Euro! Mama.« Manchmal vergesse ich den Zettel auch, was juristisch gesehen Diebstahl ist. Und pädagogisch gesehen ein Vollflop. Clara hat meinem kriminellen Treiben jetzt einen Riegel vorgeschoben. Vorgestern ist sie mit Jochen zur Bank gegangen und hat 80 Euro in kleinen Scheinen auf ihr Sparkonto eingezahlt. Dort hat ihr der Bankmann gesagt, bekomme sie 2,5 Prozent Zinsen. Clara hat deshalb beschlossen, Mamas zahlen zehn Prozent Zinsen auf jeden Cent, den sie aus der Spardose nehmen. Ich nenne das Wucher. Aber wie soll ich mich wehren? »Schreib bei der nächsten Anleihe einfach einen neuen Zettel«, empfahl eine Kollegin. »Darauf malst du die elf Buchstaben, die zurzeit alles entschuldigen: F-I-N-A-N-Z-K-R-I-S-E!«

ICH BEKENNE MICH SCHULDIG … dass ich erpresse und besteche
    Ja, sicher, zur Lösung meiner Finanzkrise könnte ich mich auch mit hochgehaltener Wasserpistole hinter die Küchentür stellen und brüllen: Geld her, oder ich schie-ße. Aber das ist mir zu billig. Wenn ich meine Kinder erpresse, dann mache ich das subtiler: mit fiesen kleinen Nebensätzen, die ich mit »wenn« und »dann« garniere und täglich neu erfinde: »Wenn du nicht gleich mit dem Rumgehampel aufhörst, dann gehen wir nicht in den
Zoo« (Anke an Jette beim Frühstück). »Wenn ihr euch weiter zankt, gibt es keine Gutenachtgeschichte« (Anke an Clara und Jette). »Wenn du heute wieder vergisst, die Post einzuwerfen, dann kriege ich Pickel« (Anke an Jochen, nachdem er den Brief ans Finanzamt eine Woche in der Tasche rumgetragen hatte). Wenn-dann-Sätze haben den Vorteil, dass sie sehr zahlreich sind. Es gibt so viele davon, dass mir noch im größten Stress ein neuer einfällt. Außerdem kann ich aus jeder Erpresservariante bei Bedarf eine Bestechungsvariante basteln: »Wenn du jetzt mit dem Rumgehampel aufhörst, gehen wir morgen in den Zoo.« Wenn-dann-Sätze haben aber auch Nachteile. Der größte ist: Sie verbinden Dinge, die nicht zusammengehören: hampelige Kinderbeine und zoologische Gärten, Haare und Gutenachtgeschichten, Hautunreinheiten und finanzamtliche Post. Das bedeutet: Sie sind meistens unlogisch. Und deshalb tragen sie auch nicht dazu bei, uneinsichtige Familienmitglieder zur Einsicht zu bewegen. Im Gegenteil: Oft führen sie dazu, dass sich die Gemüter weiter erhitzen, was mich zum letzten Anklagepunkt führt:

ICH BEKENNE MICH SCHULDIG … eine harte Rechte zu haben
    Ja, es ist mir passiert. Am 8. August 2008. Und es begann ebenfalls mit einem Erpressersatz: Diesmal kam er aus Jettes Mund. Und er klang so: »Wenn ich nicht den roten
Rock anziehen darf, dann mach ich meinen Brillenaufkleber kaputt.« Vielleicht fragen

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