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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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das geht so: Man nimmt eine Prinzenrolle und isst zuerst den oberen Keks. Dann isst man den unteren Keks. Und dann ist man nicht schnell genug für die übrig gebliebene Schokofüllung. Folge: Die Schokofüllung krümelt herunter und klebt dann nicht nur in den Mundwinkeln meiner Töchter, sondern
auch auf Fußböden, in der Playmo-Kiste und in den Bullerbü-Büchern.
    Attacken auf Dickmänner verlaufen nicht viel anders: Man isst grundsätzlich zuerst die Waffel und verteilt dann die Küsse in der ganzen Wohnung. Wirklich interessant an der Sache ist: Merkwürdige Essgewohnheiten kommen bei uns generationenübergreifend vor. Jochen zum Beispiel isst Doppelkekse genauso: erst den Prinzen, dann den Rest. Außerdem isst er Joghurts innerhalb von 35 Sekunden, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuschauen. Ich hingegen salze mein Essen gern, bevor ich überhaupt probiert habe – eine Art Reflex, den ich mir ebenfalls nicht erklären kann. Wahrscheinlich handelt es sich hier also um einen familiär bedingten Gendefekt, und irgendwo auf unseren DNA-Strängen gibt es Informationen, die besagen: Schokoküsse isst man immer von unten nach oben. Prinzenrollen von außen nach innen. Und etwas Würze kann im Leben niemals schaden!

WAS IST DAS? Es trägt die Stöckelschuhe vier Nummern zu groß, und es heißt Jakobi, Valentina-Eileen Jakobi.
    Eigentlich heißt Valentina-Eileen Jakobi im richtigen Leben Clara Willers. Clara Willers klingt allerdings sehr schnöde, findet Clara Willers, und deshalb denkt sich unsere Tochter schicke Namen aus, wenn sie spielt,
dass sie schick ist. Valentina-Eileen Jakobi klingt sehr schick, findet Clara. Auch Melody-Marie oder Tallulah-Sofie. »Das bedeutet springendes Wasser«, erklärte mir Clara neulich. Und ich guckte verstört. Ganz ehrlich: Die Geschmacksbildung meiner Töchter ist für mich ein rätselhafter Prozess. Nachdem sie die Rosa-Kitsch-Phase überwunden haben, lieben sie nun exaltierte Buchstabenkreationen. Fast könnte man meinen, ihre Mutter sei einer dieser Glamour-Promis, die sich vor der Taufe ihrer Kinder von indianischen Dialekten und Obstschalen-Inhalten inspirieren lassen. Ich sage nur: Peaches Geldorf und Tallulah Belle Willis.
    Auch glauben meine Mädels offenbar, dass guter Stil dann entsteht, wenn man von allem ein bisschen zu viel nimmt. Oft ziehen sie alle ihre Lieblingsstücke zusammen an: das bestickte T-Shirt mit Empire-Naht, den grünen Bolero mit der Häkelborte, den braun karierten Schottenrock, der zu kurz ist und außerdem geflickt wurde von einem Wesen, das auf den unglamourösen Namen Anke hört. So kommen sie in die Küche gestöckelt. »Nein«, sage ich dann entschieden, »damit geht ihr nicht vor die Tür!« Sie können sich nicht vorstellen, wie wütend Valentina-Eileen dann wird. Sie tobt und sagt, dass ich keine Ahnung von schick habe. Und Melody-Marie, die kleine Schwester, droht gar, ihr Handtäschchen nach mir zu werfen. Dann bleibt mir nichts anderes, als den Entwicklungspsychologen zu glauben, die sagen, ein wenig Übertreibung sei gut für die Entwicklung einer stabilen Geschlechtsidentität. Auch
werde ich weiter Stoßgebete zum Himmel schicken: »Tallelujah, mach, dass es vorbeigeht!«

WAS IST DAS? Es ist grün, blau oder rot geringelt, und früher oder später ist es einsam, geschieden oder einfach nur weg!
    Sicher ahnen Sie es schon: Ich rede hier von Handschuhen, Strümpfen, Turnschuhen, Memory-Karten und anderen Alltagsgegenständen, die man paarweise erwirbt, die im Alltag mit Kindern aber aus unerklärlichen Gründen schon nach kurzer Zeit nur noch vereinzelt vorkommen. Bei mir hat dieses rätselhafte Phänomen bereits zu Mutationen geführt: Ich habe mich von der Mutter zur Suchmaschine entwickelt, die Sesselritzen und Schubladenecken systematisch durchleuchtet und jeden Waschmaschinen-Techniker mit ihren Kenntnissen über Pflege und Wartung von Fremdkörperfallen verblüffen würde. Leider muss ich nun berichten, dass selbst Familienhaushalte, in denen Suchmaschinen unterwegs sind, im vergangenen Winter zweimal Handschuhe nachkaufen mussten.
    Man stelle sich einmal vor: Es gibt allein in Deutschland ungefähr sieben Millionen Kinder unter zehn Jahren, und ich vermute, dass jedes Kind pro Jahr etwa zwei Handschuhe, einen Turnschuh und fünf Socken verschusselt. Dazu kommen all die Mützen, Brotdosen, Schmusetücher und Kuscheltiere, die kein einsames
Pendant zurücklassen und die mit ihrem spurlosen Verschwinden auch geübte

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