Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
Vom Netzwerk:
völlig
unbegreiflich, wie der Weihnachtsmann es zulassen konnte, dass wir Kinder gekochten Karpfen essen mussten. Nach mehrjährigen heftigen Protesten von meinen Brüdern und mir ließ sich meine Mutter erweichen und änderte die Weihnachtsessentradition. Fortan gab es: Zungenragout!!! Und nun war ich endgültig davon überzeugt: Der Weihnachtsmann hat was gegen uns!
    Meine Kinder wollen am Heiligen Abend Würstchen mit Kartoffelsalat. Nicht gerade feierlich. Aber praktisch und, soweit ich weiß, psychologisch unbedenklich. Bei Zungenragout bin ich mir da nicht so sicher. Wahrscheinlich führt der wiederholte Genuss von Zungenragout in der frühen Kindheit dazu, dass man später unbestimmte Ängste vor Familienfesten entwickelt und unbesinnliche Kolumnen über Weihnachten schreibt. Zwar ist mir keine Studie bekannt, in der dieser Einfluss belegt wird. Genauso wenig gibt es aber Studien, die belegen, dass die richtige Kaffeemarke das Gelingen eines Familienfestes garantiert.

Meine schönsten Erziehungsflops
    Als ELTERN-Redakteurin bin ich ein Erziehungs-Profi – und weiß deshalb im Alltag mit meinen Kindern auch immer, wo’s langgeht …? Schön wär’s!

    Manchmal habe ich Zweifel, ob ich das Richtige gelernt habe. Wäre ich Badewannenarmatur-Installateurin, könnte ich nämlich zu Hause mit links den blöden Umstellmechanismus reparieren, der machen soll, dass das Wasser nicht unten aus dem Hahn, sondern oben aus der Dusche kommt. Und der bei uns gut und gerne alle zwei Wochen kaputt ist, weil die Kinder immer wieder unsachgemäß an dem Umstellnippel rumruckeln. Wäre ich Friseurin, könnte ich meinen Kindern selber die Haare schneiden. Und es bliebe mir erspart, in einen Salon zu gehen mit zwei redseligen Töchtern, die der pikierten Coiffeurin ausgiebigst von der Läuseepidemie in der Schule berichten: »Und weißt du, die legen Eier und die kleben dann an den Haaren und werden immer mehr, wenn man nix dagegen tut.«

    Aber welchen privaten Nutzen habe ich als ELTERN-Redakteurin? Ist doch klar, sagen Sie vielleicht: Als ELTERN-Redakteurin ist man für die Aufzucht des eigenen Nachwuchses perfekt gerüstet. Und hat man ein Problem, kennt man von der letzten Recherche ganz sicher einen Professor, der genau in diesem Bereich geforscht hat und Rat weiß! Ich kann dies so nicht bestätigen! Wahrscheinlich geht ELTERN-Redakteurinnen die Erziehungsarbeit zu Hause sogar weniger leicht von der Hand als Müttern und Vätern, die von Beruf Installateure, Mikrobenforscher oder Finanzbeamte sind. Denn ELTERN-Redakteurinnen arbeiten unter erschwerten Bedingungen: Habe ich mich erziehungsmäßig bei meinen Kindern mal wieder so richtig danebenbenommen, kommt der Professor beim nächsten Recherchegespräch garantiert ganz zufällig auf ebendiese Situation zu sprechen, um mir ausgiebig zu veranschaulichen, was denn unter einer pädagogischen Todsünde zu verstehen sei. Dann muss ich sehr tapfer sein und darf mir nichts anmerken lassen. Zu Hause beäuge ich jedoch voller Reue meine Kinder und hoffe, dass die pädagogische Todsünde von gestern folgenlos bleibt.
    Damit Sie wissen, wovon ich hier rede: Es handelt sich um Tatbestände wie wiederholten Diebstahl, Bestechung, Erpressung, körperliche Züchtigung und verbale Entgleisungen. Das sind keine Bagatellen. Der Angeklagten wird allerdings strafmindernd zugutegehalten, dass sie glaubhaft Besserung gelobt. Und sich durchaus einsichtig zeigt!

ICH BEKENNE ICH MICH SCHULDIG … dass ich häufig meine Stimme erhebe und laute Geräusche verursache
    Jeder weiß es: Gute Erzieher haben ihre Tonlage, Türen und Ming-Vasen unter Kontrolle. Sie reden mit ihren Kindern freundlich und ruhig. Ich kann das oft nicht. Es gibt Situationen, da muss ich schreien: Wenn Jette den Tuschebecher auf den Fußboden kippt und die braune Pampe gerade dabei ist, den Läufer im Flur zu erreichen. Oder wenn Clara die Tüte mit ihren neu gekauften Winterstiefeln im Kaufhaus stehen lässt und ich es erst bemerke, als wir ins Auto steigen. Ich habe das Gefühl, Schreien befreit. Ich könnte auch schwören, es macht, dass Tuschepampe langsamer fließt. Und erhöht die Chance, dass stehengelassene Einkaufstüten noch da stehen, wo man sie vergessen hat. Trotzdem ist Schreien nur auf einsamen Inseln zu empfehlen. In Gegenwart von Kindern führt Schreien nämlich dazu, dass diese unflätig zurückbrüllen (Jette) oder in Tränen ausbrechen (Clara). Ich habe schon einiges versucht, um nicht zu schreien: Eine

Weitere Kostenlose Bücher