Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern
Clara reicht mir den Rest einer warmen Cola light. Dazu gebe es ungetoasteten Toast. »Igitt«, sagt Jochen und schickt Jette zum Bäcker, knusprige Brötchen kaufen. »Geht der Bäckerofen nicht mit
Strom?«, fragt sie. »Doch«, sage ich, »der stromfreie Sonntag bezieht sich aber nur auf unsere Wohnung.« Jette guckt, als hätte sie mich durchschaut. Aber dann geht sie doch.
10 Uhr
Die gute Nachricht: Ich habe bereits jede Menge stromfreie Energie erzeugt. Und zwar beim Bodenwischen. Die schlechte Nachricht ist: Der Kühlschrank läuft aus. Wir bemerkten die Lache gegen 9Uhr 30. »Heute Mittag gibt’s Kartoffelsuppe«, sagt Jochen mit einem Blick auf das Gefriergut. »Kalte Kartoffelsuppe ess ich nicht«, meint Clara. Und ich überlege, wo unser Campingkocher ist. Dann wischen wir noch ein bisschen. Die Kinder essen das Eis aus dem Gefrierfach und finden – vorübergehend –, der stromfreie Sonntag sei eine tolle Idee.
11 Uhr 30
Jette stellt fest, dass der Fernseher nicht geht. Ein Sonntag ohne Maus? Sie ist empört und tobt. Toben und empört sein kann Jette sehr gut. Und ich bin sicher, dabei wird jede Menge Energie frei. Clara erinnert sich, dass sie neulich in »Dahoam is Dahoam« (eine Daily Soap im BR) gesehen hat, wie der ökologisch
übermotivierte Opa Preissinger ein umgebautes Fahrrad in die gute Stube stellte, um damit Strom zu erzeugen. »Das könnten wir ja auch machen«, schlägt Clara vor: »Wir setzen Jette aufs Rad und lassen sie strampeln. Dann kriegen wir Strom.« Ich ertappe mich dabei, wie ich Jettes Wut schon in Kilowattstunden umrechne. Vielleicht können wir auch Lina in ihrem Hamsterrad zur Stromgewinnung einsetzen. Das müsste doch wenigstens für die Kaffeemaschine reichen.
13 Uhr
Jette sitzt in ihrem Zimmer und macht stromfrei Musik. Mit Xylofon und Tamburin aus der Musikkiste, dazu singt sie: »Tei-ken bai a strein-scha …« Gut, dass Lena das nicht hört. »Und was wollen wir heute sonst so machen?«, frage ich. Die Kinder wollen raus an die Isar. Eine gute Idee, finde ich. Und denke schon über hübsche Wortfelder nach, die sich in dieser Kolumne gut machen würden – zum Beispiel das stromlinienförmige Boot, das sicher an uns vorbeischippern wird. Oder die strömenden Menschenmassen an den Ufern. »Strom ist überall«, würde ich sagen, »auch da, wo man ihn gar nicht vermutet.« Jochen will aber nicht zur Isar strömen, sondern Richtung Landshut zum abgeschalteten Atommeiler. »Man muss den Kindern doch mal zeigen, wie so ein Ding aussieht«, sagt mein Mann. Viel zu gefährlich, finde ich: »Was machen wir, wenn die Kinder
Fragen stellen?« Von Ranga Yogeshwar weiß ich nur, dass ungekühlte AKWs ungefähr so funktionieren wie vergessene Tauchsieder in Sektkübeln. Aber ob die Kinder das verstehen?
13 Uhr 30
Wir beschließen, eine Radtour zu machen. Radfahren ist umweltfreundlich. Und wer weiß, vielleicht schaffen wir es bis nach Fröttmaning zum Windrad-Watching. Oder wir sehen ein paar Solarzellen: Fotovoltaik lässt sich deutlich leichter erklären als Kernschmelze. Und sympathischer ist sie auch. Clara will die Jeans mit dem Loch anziehen. »Die ist dreckig«, sage ich, »dreckige Jeans mit Loch – das geht gar nicht.« »Können wir doch schnell waschen«, sagt Clara. »Ja«, sage ich, »im Waschbecken, und zum Trocknen rennst du dann Hose schwenkend durch den Hof.« Clara zieht ihre zweitliebste Jeans zum Radfahren an. Als wir im Park Pause machen und Schorle aus schlimmen Plastikflaschen trinken, kommen wir – natürlich ganz zufällig – auf das Thema Recycling. Clara erzählt, dass sie in einer Zeitschrift ein Bild gesehen hat, wie Leute in Afrika aus lauter aufgeschnittenen Limoplastikflaschen ein Schulhausdach gebaut hätten. »Tolle Idee«, sage ich. Doch Jette guckt ratlos. Wieso, scheint sie sich zu fragen, verwandeln Menschen Limoflaschen in Schulhausdächer – wo doch die umgekehrte Richtung das Leben
deutlich angenehmer macht. Vorausgesetzt, der Recyclingvorgang wird um einen zweiten Schritt erweitert: Schulhausdächer zu Limoflaschen, leere Limoflaschen zu vollen Limoflaschen.
16 Uhr 30
Wir sind wieder zu Hause: Clara will an den Computer. Ich überlege, ob sich aus Instant-Kaffeepulver und heißem Kranwasser vielleicht was machen ließe. Und Jochen würde gerne mit der Bohrmaschine die gülden gerahmte Kitsch-Kunst aufhängen, die er vor einer Weile vom Flohmarkt heimgeschleppt hat. Geht aber alles nicht. Und dann fällt mir auch noch ein,
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