Ich bin ein Mörder
mit zwei Fingern an seine Mütze und nickte ihr zu.
Etwas an dieser Geste kam ihr merkwürdig bekannt vor. Doch ihre gereizten Nerven fanden den Zusammenhang nicht.
* * *
Ein kalter Wind fegte über die Zeil. Alexandra trat nervös von einem Fuß auf den anderen und spähte von ihrem Stehtisch im »Gelato e Caffè« hinaus in den Regen. Von hier waren es nur noch wenige Meter zum Revier. Ihr graute vor dem Zusammentreffen mit Mischa. Nervös verspeiste sie ein Canestrelli nach dem anderen. Den mürben Mandelplätzchen konnte sie nicht widerstehen. Bevor sie zum Nachtdienst ging, wollte sie hier mit Jörg reden. Das allgegenwärtige Schweigen und die Streiterei mit den Männern in ihrer Umgebung machte sie fertig. Sie sehnte sich nach ein wenig Harmonie. Gerade jetzt. Die Sache mit Markus nahm sie mehr mit, als sie zugeben wollte. Auch wenn er wieder da war, war längst nicht alles in Ordnung.
Alexandra sah Jörg über die Konrad-Adenauer-Straße sprinten, seine Umhängetasche zum Schutz über dem Kopf. Während er den Mantel auszog und den Regen aus den Haaren schüttelte, bestellte sie zwei große Milchkaffees. Mit dem Zeigefinger schubste sie die Krümel auf dem Teller von links nach rechts.
»Danke, dass du gekommen bist, Jörg.« Sie schob ihm einen Kaffeebecher zu und reichte ihm zwei Päckchen Zucker. Er liebte es süß. Ein bisschen Bestechung zur Versöhnung konnte nicht schaden. »Ich weiß, dass ich dich geärgert habe.« Sie zog die Nase kraus und gab sich Mühe, zerknirscht auszusehen.
»Vergiss es. Ist längst um die Ecke. Das Leben ist zu kurz, um aus gekränktem Stolz eine Freundschaft aufzugeben, meinst du nicht?« Grinsend verpasste er ihr einen Nasenstüber und sie fiel ihm erleichtert um den Hals.
»Mann, du bist ein Schatz. Das hat mir echt im Magen gelegen. Dich als Freund zu verlieren, wäre wirklich übel für mich.«
Jörg zog sie am Zopf, wie er es schon gemacht hatte, als sie dreizehn war.
»Wir haben es beide gewollt und gewusst, dass es bescheuert ist. Irgendwann musste Schluss damit sein. Ich bin es nur nicht gewohnt, wenn mir jemand den Augenblick vorgibt. In dem Punkt bin ich vielleicht ein Macho oder ein Chauvi oder was auch immer. Ein elender, untreuer Weiberheld bin ich sowieso«, sein Gesicht zeigte keine Spur von Bedauern. »Schön war es trotzdem mit uns beiden. Und wenn du irgendwann mal wieder …«
»Jörg, bitte! Ich bin durcheinander und wollte mit einem vernünftigen Menschen reden. Können wir das jetzt abhaken?«
»Schon gut. Also, was drückt?« Er rührte den Inhalt beider Zuckertütchen in seinen Kaffee und stibitzte noch eines von ihren.
»Es geht um Markus Neumaier.« Leise berichtete Alexandra, was in der vergangenen Woche mit ihm geschehen war. Soweit man das bisher rekonstruiert hatte.
»Es muss entsetzlich für ihn gewesen sein. Die Schrift, die aufgemalte Zielscheibe auf der Brust. Es sind Beweise. Sie mussten ihn von beiden Seiten fotografieren. Nach allem, was ihm passiert ist, auch noch das. Natürlich haben sie versucht, ihm das zu erklären. Sie brauchen jeden noch so kleinen Hinweis, um das Schwein zu schnappen. Trotzdem muss das ein ungeheuer demütigendes Gefühl gewesen sein.«
»Haarsträubende Geschichte.« Jörgs Augen erfüllte ein seltsamer Glanz.
»Du wirst kein Wort darüber schreiben. Hast du verstanden? Kein einziges Wort! Das gefährdet die Ermittlungen.«
»Versprochen. Aber gib zu, dass es eine tolle Sache ist.« Er legte den Kopf schräg und schaute ihr zustimmungfordernd in die Augen. »Komm schon – der Sohn eines Kriminalkommissars, verschnürt und beschriftet wie ein Päckchen.«
»Toll? Er ist ein Mensch – vergiss das nicht! Ein Mensch, ein Junge und ich kenne ihn und seine Familie gut.«
Jörg lutschte den letzten Tropfen aus seiner Tasse, dann stopfte er die Serviette hinein. »Versuch es mal objektiv zu betrachten. Wenn es anders wäre …«
»… spielte das auch keine Rolle. Sie haben ein Recht darauf, dass man ihre Privatsphäre respektiert. Auch jeder andere müsste in einer solchen Situation geschützt werden, vor den …« Sie brach ab. Den Gedanken auszusprechen, war nicht fair.
»Vor den Pressegeiern? Sag es ruhig! Das meinst du doch, nicht wahr?« Gereizt griff er seine Tasche und den Mantel.
»Nein. Jörg, das habe ich nicht …«
»Schön zu sehen, wie sehr du mir vertraust. Ich mag kein besonders anständiger Mann sein, aber dass ich bereit bin, eine solche Geschichte auszuschlachten,
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