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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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das Morgenrot? Das ist meine Zeit, die da heraufdämmert. Der Sohn der Morgenröte hält noch für viele das Licht der Verdammnis bereit.«
    * * *
     
    Die Versorgung ihres Armes dauerte nicht lange. Ein glatter Durchbruch, keine Splitter. Trotz des massiven Kraftaktes, den Alexandra selbst der Bruchstelle zugemutet hatte, war das umgebende Gewebe erstaunlich wenig geschädigt. Die Heilungschancen standen gut. Sie musste nur mit wenigen Wochen in Gips rechnen. Ein schwacher Trost, angesichts der Verletzungen, die Jörg und Mischa davongetragen hatten. Noch während Alexandras Behandlung meldete sich der zuständige Kollege vom Zentral-Polizeipsychologischen Dienst. Ein freundlicher Mensch, erfahren und sanftmütig. Aber sie wollte ihn nicht um sich haben. Wollte nicht, dass jemand ihren Schmerz linderte. Was wusste der schon? Nichts. Er kannte weder sie, noch Mischa oder Jörg. Statt sich ihm anzuvertrauen, fauchte sie ihn an. Unbeirrt reichte er ihr eine Visitenkarte.
    »Rufen Sie einfach an. Jederzeit«, sagte er nur. »Sobald Sie bereit dazu sind.«
    Im stickigen Wartebereich zwischen zwei Stationen hockte sie zusammengekauert auf einem der grünen Plastikbesucherstühle. Alle paar Minuten stand sie auf, um abwechselnd links und rechts die breiten Flure entlangzustarren, in der Hoffnung, einer der Ärzte, die parallel in zwei Operationssälen arbeiteten, möge sich zeigen. Der Geruch nach Desinfektionsmittel verursachte ihr zunehmend Übelkeit. Das Quietschen von Gummisohlen auf dem Linoleum und das Klappern unterschiedlicher Clogs steigerten ihr Unbehagen, vor allem, wenn die Schritte die Frequenz erhöhten, an Tempo zulegten, ins Rennen gerieten. Dann wäre sie ihnen am liebsten gefolgt, um sich zu vergewissern, dass es sich nicht um einen Notfall im OP handelte.
    Conrad Neumaier nahm auf dem Sitz neben ihr Platz, reichte ihr einen Schokoriegel und einen Becher Kaffee, die er aus einem Automaten einen Stock tiefer besorgt hatte.
    Eigentlich sollte er gar nicht mehr hier sein, sondern zu Hause oder bei Markus. Zu viele Stunden hatte er in den letzten Tagen im Krankenhaus verbracht. Mit zu vielen Fragen und zu wenigen Antworten. Sie wusste, dass er ihretwegen blieb und wie sehr er sich sorgte. Nicht nur um Mischa.
    »Hat Markus inzwischen mit dir geredet?«
    Mit resignierendem Seufzen stellte er den Kaffeebecher zwischen seinen Füßen ab.
    »Nicht mit mir. Mit Basti. Und auch nicht viel.«
    »Glaubst du wirklich, dass«, es fiel ihr schwer, es auszusprechen, »dass Tobias das auch war?«
    Neumaier knetete seine wulstigen Finger.
    »Er hat ihn nicht entführt. Obwohl vieles dafür spricht, dass er damit zu tun hatte. Die Botschaft. Die war von ihm. Für mich. Aber der Rest passt nicht zusammen. Der Entführer hat allein gehandelt. Auf eigene Faust. Basti sagt, der wollte Markus nichts tun. Er hat versucht, böse zu sein, aber er konnte das nicht gut. Und er hat sich selbst als Schüler bezeichnet, der seinem Meister mit der Entführung ein Geschenk machte. Erst von da an, war es der Mann am Telefon, der Anweisungen gab. Dieser ›Meister‹, das war Stockmann, davon bin ich überzeugt. Aber wir werden es nie mit Sicherheit wissen.«
    Der Meister. Herr über Leben und Tod.
    »Wir wissen es mit Sicherheit, wir können es nur nicht beweisen. Es sei denn, wir finden den Mann.« Alexandra legte den Kopf auf Conrad Neumaiers Schulter. Sie fühlte sich unendlich müde.
    »Das werden wir nicht. Markus glaubt, er ist tot. Erlöst. Und glücklich. Er faselt etwas von ewigem Licht und dem Ende allen Leides. Basti sagt, er kriegt ganz glasige Augen dabei. Das macht mir Sorgen. Markus hat trotz allem, was der Kerl ihm angetan haben mag, Gefallen an ihm gefunden. Er empfindet Mitleid für ihn und Sympathie!«
    Reine Überlebensstrategie – Solidarität aus Angst geboren. Das war kein ungewöhnliches Verhalten, aber eines, dass man nicht ohne Weiteres akzeptieren konnte. So was lernte man schon in der Polizeiausbildung.
    »Wird er eine Therapie machen? Oder mit den Leuten vom Weißen Ring reden? Die kennen sich doch damit aus. Ich meine, dass ist doch ihre Aufgabe, mit Opfern zu arbeiten.«
    »Ich weiß es nicht. Ich kann nur hoffen.« Conrad Neumaier streichelte geistesabwesend ihren unverletzten Arm.
    »Es tut mir so schrecklich leid, was passiert ist! Wenn Stockmann das zu verantworten hat, wenn er dahintersteckt … wenn ich nichts mit ihm angefangen hätte …«
    Alexandra konnte nicht aufhören, im Durcheinander ihrer

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