Ich bin ein Mörder
erwachsen.«
Mischa zwang sich zu einer schnellen Antwort. Jörg war ein netter Typ, aber er selbst war weit davon entfernt, sich nett zu fühlen oder ein nettes Gespräch führen zu können.
»Ja, du hast recht. Ist ihre Sache. Was hast du Frau Suttor erzählt, wie es jetzt weitergeht mit deiner Story?«
»Dass ich mich melde, wenn ich noch Fragen habe. Dass es noch dauert, bis alle Recherchen abgeschlossen sind. Vages Geschwafel. War ihr aber auch weitgehend egal, nachdem sie Cash gesehen hatte.«
»Dann ist das Thema für uns jetzt also erledigt.«
»So sieht es aus.«
Wieder folgte ein längeres Schweigen.
»Ist alles in Ordnung bei dir, Mischa?«
»Ja. Ja klar. Bin nur nicht ganz bei der Sache.«
»Das merkt man. Wir können trotzdem mal wieder ein Bier trinken gehen, oder? Auch ohne Grund.«
»Klar. Ruf einfach an, wenn du wieder hier bist.«
Mischa legte das Telefon aus der Hand, spürte wieder diese unbändige Wut. Dieses Verlangen. In der Ecke baumelte der Boxsack. Ein eiskalter Schauer schüttelte ihn. Ich will Blut sehen. Langsam wickelte er die Bandagen um die Finger und streifte die Handschuhe über. Komm schon, Feigling! Eine merkwürdige Erregung hielt ihn umklammert. Wehr dich. Kämpfe. In Zeitlupe umkreiste er den Gegner, machte einige zögernd tänzelnde Schritte auf ihn zu. Dann versetzte er ihm den ersten Schlag mit der Rechten, einen Aufwärtshaken mit der Linken. Und noch einen, noch einen, noch einen …
* * *
»Was heißt das, wir haben den Abend ganz für uns?« Conrad Neumaier entkorkte die Rotweinflasche und roch daran. Eine feinherbe Note, leicht holzig. Er drehte den Korken von der Spindel und legte ihn sorgsam in ein kleines Körbchen neben der Spüle. Irene achtete genau darauf, dass Wertstoffe nicht einfach im Restmüll landeten.
»Basti wird gleich zum Tischtennistraining abgeholt und bleibt anschließend bei Lukas. Markus hat irgendwas von Verabredung genuschelt und Sabrina ist schon weg.«
An der Art, wie sie antwortete, schnell und beiläufig, erkannte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber er wollte sich den Abend nicht verderben lassen. Entschlossen küsste er die weiche Linie ihres Nackens.
»Esmeralda, folge mir in den Turm«, brummte er dabei. Irene lächelte, aber sie schmiegte sich nicht an. Sein Instinkt machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie verheimlichte etwas. Hilflos wünschte er, es ignorieren zu können. Das Wochenendgefühl verflüchtigte sich. Unaufhaltsam entglitt ihm, was er ersehnte.
»Wo ist Sabrina?«, fragte er leise.
Irene straffte den Rücken. Das war also die Frage, auf die sie gewartet hatte.
»Also ist sie wieder bei ihm.«
Sie nickte und zupfte weiter Salatblätter in ein Sieb.
»Wir können sie nicht daran hindern, Conrad.«
»Der Kerl ist acht Jahre älter und sie ist nicht volljährig. Rein rechtlich, Irene …«
»Spar dir dein rein rechtlich !« Sie senkte das Küchenmesser und wischte die Hände an einem Geschirrtuch trocken, ehe sie sich zu ihm umdrehte. »Glaubst du, sie lässt sich einfach aufhalten? Noch zwei Monate, dann ist es ohnehin nicht mehr unsere Sache.«
»Auch wenn sie volljährig ist, bleibt sie unsere Tochter und damit bleibt es auch unsere Sache.«
Ihre Miene verzog sich zu einem zynischen Grinsen.
» Rein rechtlich , Conrad? Mit achtzehn hast du keine Handhabe mehr. Und jetzt? Willst du den Mann anzeigen, wegen Verführung Minderjähriger? Das kannst du. Rein rechtlich! « Bissig fügte sie hinzu: »Tu es! Damit du deine Pflicht erfüllt hast.«
»Darf ich dich daran erinnern, dass …«
Lautes Getrampel auf der Treppe störte Conrad Neumaiers Konzentration. Auf dem Flur riss Markus die Jacke vom Haken.
»Bin weg«, rief er im Vorbeirennen.
»Moment!« Der cholerische Ton in Neumaiers Stimme ließ sich nicht mehr unterdrücken. »Zurück mit dir, Freundchen!«
Markus schlurfte mit hängenden Schultern in die Küche.
»Was’n los?«
»Wo willst du hin? Und wie siehst du überhaupt aus?«
Die Hose hing tief zwischen Markus’ Knien, der untere Rand der Hosenbeine schlabberte ausgefranst über den Boden. Sichtlich gelangweilt guckte er an sich herunter.
»Wie immer. Kann ich jetzt gehen?«
Das genervte Nuscheln gab Conrad den Rest. Er schlug mit der Faust auf den Küchentisch.
»Kannst du nicht! Wir beide werden uns jetzt unterhalten.«
»Oh, Mann, nicht schon wieder. Ich muss los.«
»Und ich habe gesagt, wir werden uns unterhalten!«
Desinteressiert sah Markus an ihm vorbei
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