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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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hinterlassen hatte. Im Ganzen hatte er fünf gezählt. Sie nahm einen tiefen Zug.
    »Was wollen Sie denn wissen?«, fragte sie, wobei sie ausatmete und ihr der Rauch mit jedem Wort aus Mund und Nase quoll.
    »Alles, woran Sie sich erinnern können.«
    Er drückte sich betont vage aus. Gab ihr Spielraum für Erinnerungen und Assoziationen.
    »Ich bin nicht berechnend, nicht dass Sie das denken. Aber Sie sehen ja, wir haben es hier nicht so dicke.« Sie rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Also wenn Sie was wissen wollen, dann sehe ich Geld und zwar gleich. Vorher. Ein paar Scheinchen hier bar auf den Tisch. Der Gernot war ein guter Kerl, aber hinterlassen hat er mir nur einen dicken Bauch. Der Große, der vorhin mit hier drin war, das ist seiner.« Abwartend lehnte sie sich zurück. »Also was ist jetzt?«
    Jörg zückte sein Portemonnaie und wohlwollend nickend verfolgte sie, wie er die Geldscheine auf den Tisch zählte.
    »Nichts für Ungut, Herr Weber, aber ich bin schon mal reingefallen mit so einem Reporter. Damals, als es passiert ist. Und wie!«
    Jörg schaute sie auffordernd an. Der Deal versprach eindeutige Vorteile für beide Seiten. Nachdem das Finanzielle geklärt war, machte Frau Suttor ihrem Herzen Luft. Ihr Tonfall veränderte sich um eine winzige Nuance, ein kurzes Aufflackern vergangener Emotionen, doch ihre müden Augen blieben stumpf.
    »Das war ein ganz junger, der Reporter. So wie ich. Mein Alter, zwanzig, höchstens fünfundzwanzig. Kam noch vor der Polizei und hat mir erzählt, dass der Gernot ertrunken ist. Die sind zuerst zu seinen Eltern, weil er da noch gemeldet war und nicht bei mir. Verheiratet waren wir ja nicht. War ein netter Bursche, der Reporter, auf den ersten Blick. Sah gut aus und klang auch alles ganz vernünftig, was der mir gesagt hat. Aber der hat halt die Eltern vom Gernot nicht gekannt. Also der hat gemeint, ich soll nichts sagen von dem Brief, wegen der Prämie. Damit seine Eltern das Geld kriegen und dass die mir dann sicher was abgeben, für das Kind. Weil, wenn die von der Versicherung herausfinden, dass er sich umgebracht hat, dann kriegt gar keiner was. Und da hat er ja recht gehabt, gell. Nur dass die Diefenbachs mich nicht leiden konnten und nichts rausgerückt haben, die Geizhälse. Musste mich ganz allein durchschlagen mit dem Jungen.« Sie knüllte die Zigarettenschachtel zusammen. »Nur die Zeitung hat mir ein bisschen Geld gegeben, weil sie Fotos drucken durfte und ein Interview. Ich hätte am liebsten dann doch der Versicherung Bescheid gesagt, damit die den Eltern das Geld wieder wegnehmen. Aber da war der Brief ja schon nicht mehr da. Hatte ihn verbrannt. Weil der das gesagt hat, der Reporter. Da hatte ich überhaupt nichts mehr in der Hand und keiner hätte mir geglaubt. Heute ist mir das egal. Alles. Sollen die Leute doch denken, was sie wollen. Die alten Diefenbachs sind tot, für die ist es auch egal. Und ob Sie jetzt darüber schreiben oder es lassen, weil es eben doch kein Mord war, ist Ihr Bier.«
    Im Hof kreischten die Kinder um die Wette. Es schallte durchdringend bis hinauf in den vierten Stock des Altbaus. Das Fenster stand halb offen, wegen des Rauchs vermutlich. Die Heizung war nicht eingeschaltet. Jörg rieb sich fröstelnd die Hände.
    »Was stand in dem Brief?«
    »Dass er krank ist. Und dass der Doktor gesagt hat, da ist nichts mehr zu machen. Der Gernot wollte halt nicht abwarten, bis es vorbei ist, und leiden und alle andern noch quälen mit seinem Elend. Da ist er in den Main gesprungen. Er war wirklich ein lieber Kerl, aber halt nicht so furchtbar klug. Er hat es gut gemeint. Aber so Sachen, wie mit der Versicherung, dass die bei Selbstmord nicht zahlen, aber, wenn er wegen dem Krebs gestorben wäre, dann schon, das hat er nicht gewusst.«
    Die Zigarette verglühte mit einem letzten Aufleuchten, als sie langsam und ausgiebig daran sog. Jörg gönnte ihr eine Pause. Keine schönen Erinnerungen, die er da heraufbeschwor.
    »Sagen Sie, der Reporter, wissen Sie noch seinen Namen?«
    Sie blinzelte, hustete und wedelte den Rauch beiseite. Ihr Blick konzentrierte sich auf die Geldscheine. Rote Flecken bildeten sich auf ihren Wangen.
    »Vergessen«, keuchte sie hastig.
    »Hat er Sie nur dieses eine Mal besucht, oder kam er häufiger?«
    »Warum?« Sie hustete weiter und versenkte den Zigarettenstummel in einem Ketchuprest.
    »Nur so aus Interesse, ich dachte, vielleicht kenne ich den Kollegen.« Jörg war sich beinahe sicher, dass er den

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