Ich bin ein Mörder
auf die Tassen, die ordentlich nebeneinander an den Wandhaken hingen.
»Also?« Er zupfte die Hose im Schritt zurecht.
»Wirst du das wohl lassen? Dich in meiner Küche am Sack kratzen, wenn ich mit dir rede? Du gehst heute nirgendwo mehr hin. Verschwinde sofort in dein Zimmer. Ist das klar?«
»Ich denke, du willst mit mir reden. Was’n jetzt?«
Bockig verschränkte Markus die Arme vor der Brust und bewegte sich keinen Zentimeter.
»Du gehst in dein Zimmer habe ich gesagt!« Conrads Halsschlagader schwoll bedenklich. Hier ging es um seine Autorität als Vater, als Familienoberhaupt, ums Prinzip.
»Und was, wenn nicht?«
»Markus!« Irene sah ihn flehend an, ihre Hände umklammerten das Geschirrtuch. »Bitte!«
»Nein. Ich bin verabredet, und deshalb gehe ich jetzt.«
»Das werden wir ja sehen!«, brüllte Conrad.
»Genau. Du wirst es sehen. Nämlich mich von hinten, wenn ich die Tür zumache.« Demonstrativ zog Markus die Nase hoch und drehte sich um. Conrad packte ihn an der Schulter. Markus versuchte ihn abzuschütteln, aber sein Griff lockerte sich nicht.
»Hiergeblieben! Ich lasse nicht zu, dass du dich weiter bei illegalen Waffenspielchen vergnügst und mich zum Narren machst!«
Markus schlug die Hand beiseite und fuhr herum.
»Ich hasse dich. Ich hasse euch beide! Ihr kennt mich nicht. Ihr wisst nichts von mir und trotzdem glaubt ihr, über mein Leben bestimmen zu können. Aber das ist vorbei. Ich werde nie wieder auf euch hören, nie wieder! Auf dich schon gar nicht, du fettes, altes Bullenschwein! Mich kriegt ihr nicht mehr zu Gesicht. Ich verschwinde – für immer. Ich verabscheue dich! Ich verachte dich!«
Er zerrte den Rucksack über die Schulter und schlug die Tür zu. Hinter ihm blieb nur Stille zurück. Die gleiche ohnmächtige Stille, die auf ein Erdbeben folgt.
* * *
Warmes, gedämpftes Licht verbreitete eine gemütliche Atmosphäre und überdeckte kleine Schönheitsfehler in der farbenprächtigen Dekoration. Plastikpalmen und Bambus, dazu koreanische Souvenirs, bevorzugt in Rot und Gold. Leise Musik mischte sich zwischen die Gespräche und verstärkte das Gefühl, an den kleinen Tischen des Restaurants »New Korea« völlig ungestört zu sein.
»Was machen wir nach dem Essen? Schon eine Idee?« Alexandra langte mit den Stäbchen quer über den Tisch nach den gebratenen Nudeln auf Mischas Teller.
»Ins Kino gehen, dachte ich.« Er drehte abwartend die Gabel in der Hand, bis der Weg wieder frei war, spießte dann einen Brocken von ihrem scharf gewürzten Hähnchenfleisch mit Brokkoli auf.
»Gut gewählt«, lobte er mit vollem Mund.
»Kompliment zurück, ich liebe diese Nudeln!«, verkündete Alexandra seufzend und bediente sich weiter von seinem Essen. »Wollen wir den Rest tauschen?«
Die Prozedur gehörte zum Standardprogramm ihrer Freitage. Beide packten ihr Besteck, fixierten einander.
»Rechtsrum«, ordnete Mischa an und sie nickte. »Fertig? Los!«
Gleichzeitig sprangen sie auf, umrundeten den Tisch und plumpsten auf den gegenüberliegenden Stuhl.
»Jetzt gucken wieder alle, als ob wir nicht ganz dicht wären«, flüsterte Alexandra und rollte die Augen.
»Womit sie eindeutig recht haben. Ich bevorzuge diese Technik, das Essen zu tauschen, trotzdem.«
»Weil ich dir mal die Misosuppe übergekippt habe.«
Mischa nickte zustimmend und schob die nächste Gabel mit Hühnchen in den Mund.
»Buh!«
Sein Kopf schnellte nach oben und Alexandra machte einen kleinen Hopser auf ihrem Stuhl.
»Verdammt noch mal, was … Tobias?« Wie aus dem Nichts stand er neben ihrem Tisch und pustete Alexandra ins Ohr.
»Hallo mein Engel – na, wenn das kein Zufall ist, dass wir uns hier treffen!«
»Dann ist es wohl Absicht.« Sie rang immer noch nach Luft. Der Schreck hatte sie eiskalt erwischt. »Was tust du hier, Tobias?«
Eine leichte Verärgerung über ihre Worte zeigte sich in einer ungewohnten Falte auf Tobias Stockmanns Stirn, offenbar hatte er Begeisterung über sein Erscheinen erwartet. Doch die Falte verschwand schnell und das gewohnt charmante Lächeln legte sich weich auf sein Gesicht.
»Ertappt. Ich musste dich sehen, denn ich … Entschuldigung«, er wandte sich Mischa zu. »Ich weiß, ich sollte nicht hier sein. Aber ich muss kurzfristig für die nächsten drei Tage nach Hamburg. Ich kann nicht fahren, ohne dieser zauberhaften Frau auf Wiedersehen zu sagen. Das müssen Sie verstehen, Herr Michalczyk. Darf ich?« Stockmann zog einen freien Stuhl heran, setzte
Weitere Kostenlose Bücher