Ich Bin Ein Schwein
ein Warnsignal mit einer Bombe.
Vorsicht
, steht darunter,
soll dieser Ordner wirklich gelöscht werden
? Als ich darauf klicke, öffnet sich die Datei. Fotos von Maria bauen sich auf.
Maria mit dreizehn, steht unter einem Foto, das ein pubertierendes Mädchen mit langen schwarzen Haaren und Sommersprossen neben einer grazilen Frau in schwarzer Kleidung und Sonnenbrille auf der Terrasse eines Cafés zeigt. Die Frau raucht, während Maria die Augen von der Sonne geblendet zusammenkneift und in ihrem Eisbecher löffelt.
Das nächste Foto zeigt Laura und Maria in Bikinis am Strand. Frankreich, 2000, steht darunter. Mehr nicht. Da war Maria sechzehn genau wie Laura. Auf dem Foto hat Laura den Arm um Maria gelegt, die ihren Kopf an Lauras Schultern, lehnt.
Meine Hände fühlen sich kalt an und zittern, als ich fortfahre, um das nächste Bild zu sehen.
Vor mir steht Maria, wie ich sie von unserer Autofahrt nach Berlin in Erinnerung habe. Die lockigen Haare, jetzt kurz und zerzaust, die blauen Augen weit aufgerissen. Sie sieht so verletzlich aus, wie sie so dasteht, mit der Zigarette am Mund und der weißen Kinderhaut. Dabei ist sie bereits zwanzig. Ihre Brüste wie Knospen, klein und rosa, der schmale Körper und die rasierte Scham.
Ich habe kein Foto von Laura gemacht, keines mit und keines ohne Kleidung. Ich weiß auch nicht, wozu es mir nützen sollte. Das ist wie mit ihrer Küche. Sie lässt sich nicht nachbauen. Unter keinen Umständen. Und doch werde ich das Bild nicht mehr los. Dieses nicht und auch kein anderes.
Meine Augen haben sich am Bildschirm festgeheftet und verharren in einer Endlosschau. Maria ist längst aufgestanden und streift Laura den sandigen Bikini vom Leib. Im Hotelzimmer surrt der Ventilator und kühlt die erhitzten Körper, die noch nach Sonnencreme und Salz riechen. Es ist ruhig geworden. Mittagshitze. Die Franzosen haben sich in ihre Häuser verkrochen, und nur vom Hotelpool hört man durch das Fensterglas die gedämpfte Stimme des Animateurs, der zu dem einen oder anderen Spiel auffordert. Lauras Blick ruht auf Maria, die noch angezogen vor ihr steht. Zwei Kinder küssen sich. Maria wachsen Schmetterlingsflügel, während Lauras Gestalt in Verwandlung begriffen ist. Sie ist größer geworden und die Brüste sind angeschwollen, wie zum Auftakt. Der metallene Klang ihrer Stimme scheint jetzt weit entfernt. Als gehöre der Ton nicht zum Körper, jedenfalls nicht zwangsläufig. Marias Hände berühren den Leib. Berührungen, die sich ins Gedächtnis eingraben. In ihres vielleicht und in meines. Lauras Haut, die nachgibt, der feuchte Kuss, die nassen Hände. Ihr Parfüm, das nach Minze und Schokolade riecht. Ich lege die Hand auf ihre Brüste, will sie zum Bett ziehen.
„Verschwinde“, sagt sie, „raus aus meiner Wohnung! Das hier geht dich gar nichts an.“
Bis ich ihre Hand auf meiner Schulter registriere, bis ich mich umdrehe, bis ich erschrecke und bis ich schließlich die Wohnungstür hinter mir ins Schloss ziehe, tickt die Uhr langsam die Zeit ab. Ich wage nicht sie anzusehen, hefte den Blick auf die Dielen und erhasche ihre blütenweißen Hände.
Erase II
Helene ist zu alt für ihre Wohnung. Ihre Stirn zieht sich in kleine, rissige Falten und ihre grünen Augen verschwinden fast unter den Schlupflidern, wenn sie im winterkalten Badezimmer die Luke öffnet und die Wasserflecken unter der Decke mustert.
„Komm doch bitte herein“, sagt sie jetzt, nimmt mir meine schwarze Jacke ab und hängt sie über einen Bügel an die Garderobe. Die Tapete im Flur ist frisch geweißt, der alte graue Teppichboden herausgerissen und durch einen altroséfarbenen ersetzt worden. Ich bemerke ihren Blick, der zwischen meinen Schuhen und dem Teppich hin- und herirrt, schlüpfe aus meinen Stiefeln, die sie mir abnimmt und vor die Tür, neben die immer saubere Fußmatte, stellt.
Die Küche wird von Helenes Einbauschränken dominiert. Aneinandergereihtes Buchenholz, das mit einer Arbeitsplatte überzogen ist, Hängeschränke mit vergoldeten Messingknöpfen. In der Ecke gleich neben der Küchentür steht der Herd „mit Cerankochfeld“, wie Helene betont, und „eingebauter Mikrowelle“. Die türkisgrünen Kacheln an der Wand sind hinter der Front aus Hängeschränken verschwunden.
„Ich habe im Wohnzimmer bereits eingedeckt.“ Helenes Stimme klingt fordernd, beinahe ein Diktat, dem ich Folge leisten muss. Die Terrassentür steht offen. Draußen zelebrieren die Vögel ihre Rückkehr und erwarten
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