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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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Überzeugung zu einem Verwandtenbesuch verschleppt hatte. Einen Versuch ist es wert, er gelingt auf Anhieb. Helene springt auf und kehrt mit Reißzwecken zurück. Mit einiger Mühe gelingt es mir, die Lichterkette an ihrem früheren Platz zu befestigen. Mein Mund ist trocken. Ich bitte um Wasser, nehme mein Glas und gehe durch die Küche zur geöffneten Terrassentür. Mein Atem geht flach, das Herz pocht gegen das Brustbein.
    „Hast du schon mal an ein Regalbrett im Flur gedacht?“, frage ich Helene schon beim Eintreten.
    Ich ziehe meine Stiefel aus, wehre ab, als sie mir ihre Hilfe anbietet, und stelle die Schuhe selbst vor die Tür. „Du hast zu wenig Platz für deine Bücher. Ich habe noch ein Regalbrett im Keller, das bring ich dir morgen mit und auch die Bohrmaschine. Dann hängen wir es gleich gemeinsam auf.“
    Sie sieht blass aus. In den letzten Wochen ist Helene mager geworden. Das bemerke ich erst jetzt, obwohl ich sie täglich besuche. Wenn sie den Kaffee serviert, zittern ihre Hände unter dem Gewicht der Kanne. Dann ermahne ich sie: „Pass auf dich auf“ und streiche sacht über ihre Hände, deren Adern blau hervortreten und für kurze Zeit unter der Haut verschwinden, wenn ich darüber fahre.
    Helene fasst sich schnell. Minuten später nickt sie bereits mit dem Kopf, wenn ich ihr einen neuen Friseur oder ein Buch vorschlage. Sie ist stiller geworden. Jedesmal aber freut sie sich über die Tulpen, die jetzt Saison haben und die ich ihr vom Blumenhändler mitbringe. „Die sehen so schön aus“, sagt sie dann und wendet ihr Gesicht von mir ab. Helene lauscht ob jemand unser Gespräch verfolgt, dann setzt sie nach einer Pause hinzu „als kämen sie aus einer anderen Welt.“
    Unsere Blicke treffen sich. Stille Übereinkunft.
    Heute ist es später als gewöhnlich, bald wird es dämmern.
    „Ich habe Rotwein mitgebracht. Das ist dir doch recht?“
    Ich warte ihre Antwort nicht ab, trete in die Küche, packe meinen Rucksack aus.
    „Wein, Weißbrot und Oliven“, sage ich heiter.
    Helene blickt zu Boden. Es fällt ihr schwer, einen Anfang zu finden.
    „Weißt du“, sagt sie, „es ist nett von dir, dich so um mich zu kümmern. Nur“, sie schluckt, „ heute muss ich allein sein.“
    Minuten passiert gar nichts. Ich halte in der Bewegung inne, mustere nur die Lebensmittel, die ausgebreitet auf der Arbeitsfläche liegen, als hätte sie jemand bewusst arrangiert, genau wie das violette Licht der letzten Abendsonne, in das die Küche jetzt getaucht ist wie eine Szene auf dem Theater.
    „Ich verstehe. Ich dachte nur, meine Heizung ist kaputt, es wird bestimmt kalt sein, den ganzen Abend.“
    Ich packe Wein, Weißbrot und Oliven in den Rucksack, schultere ihn, bemerke die kalten Füße auf den Kacheln.
    „Bleib doch“, sagt Helene. „Nimm das Wohnzimmer, du kannst auf dem Sofa übernachten. Ich zieh mich ins Schlafzimmer zurück.“
    Helenes CD-Sammlung besteht aus einigen Klassik-Samplern, darunter die drei Tenöre, die jungen Tenöre, Sarah Brightman und Montserrat Caballé. In der Abteilung populäre Musik wird es schlimmer. Marshall und Alexander neben Raritäten wie Uwe Kröger und Musicalaufnahmen, im Fernsehen beworben und von Helene bestellt .
    Ihr Radio rauscht, es ist nicht einfach, ein Programm zu finden, ich drehe solange am Regler, bis ich den Klassikkanal finde. Nur die Lampions verbreiten noch ihr diffuses Licht, vor ihrem Fenster klingen die Stimmen vorbeiziehender Passanten. Helenes Einrichtung versinkt im Dunkel, der Moderator sagt von Ferne das nächste Stück an. Ein Nachrichtensprecher, dessen Stimme nichts bewegen darf, damit das Gesagte in der Welt nicht auf Widerhall trifft und niemanden zur Beunruhigung zwingt. Ein Pianist setzt ein. Vorsichtiger Auftakt, Erinnerungsfetzen.
    Meine Großmutter hält meine Hand, ich drücke sie lange, ein wenig zu lange vielleicht. Sie ist warm und alt, die Haut liegt in weichen Falten über den Knochen. Der Motor stöhnt auf, mein Vater drängt zur Abfahrt. „Bis bald“, sage ich noch, dann setzt sich der weiße Mercedes in Bewegung.
    In Helenes Küche surrt die Spülmaschine. Die Böden glänzen, es riecht nach Putzmittel, das einen aufdringlichen Orangenduft freisetzt. Selbst die Gardinen sind gewaschen und noch klamm. Ich erhitze Wasser im Topf. Kamillen-, Pfefferminz- und Hagebuttenteebeutel finde ich im Gewürzschrank, in einer Tupperwarendose nach Sorten geordnet. Ich öffne die Terrassentür, trete hinaus. Die Luft kühlt Stirn und

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