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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Konstellation des Zorns …
    Sie bestanden aus vielen Punkten, die mit verschiedenfarbigen Linien verbunden waren. Manchmal sahen die Punkte aus wie von einem Kind gezeichnete Sterne, manchmal aber auch wie Kreise, Kreuze oder Pinselkleckse. Russell, der sich die ganze Zeit abseits gehalten hatte, kam jetzt näher und schaute Vivien neugierig über die Schulter.
    Seine Meinung war unverblümt.
    » Was für ein Horror.«
    Sie wollte es gerade bestätigen, als ihr Handy klingelte. Am liebsten hätte sie es ausgeschaltet, ohne nachzusehen, wer sie sprechen wollte. Dann nahm sie es missmutig aus der Tasche und warf einen Blick aufs Display. Ihre Befürchtung, die Nummer des Krankenhauses zu erblicken, bewahrheitete sich nicht. Es war Pater McKean.
    » Hallo.«
    Die eigentlich vertraute Stimme klang fremd in ihren Ohren, angespannt und angstvoll und ohne die Energie, die sie sonst auszustrahlen vermochte.
    » Vivien, hier spricht Michael.«
    » Hallo, Michael. Was ist los?«
    » Ich muss mit dir sprechen, Vivien. Sobald wie möglich und allein.«
    » Michael, ich bin gerade in einer äußerst schwierigen Lage. Ich kann nicht …«
    Der Priester hörte sich an, als hätte er sich diese Worte schon viele Male vorgesagt.
    » Vivien, es geht um Leben und Tod. Es geht nicht um mich, sondern um das Leben vieler Menschen.«
    Vivien zögerte einen Augenblick, der dem Mann, angesichts dessen, was er dann sagte, ewig vorgekommen sein musste.
    » Es hängt mit den Explosionen zusammen, Gott möge mir verzeihen.«
    » Mit den Explosionen? Was hast du denn mit den Explosionen zu tun?«
    » Bitte komm so schnell wie möglich hierher. Bitte, Vivien.«
    Pater McKean legte auf, und Vivien stand mitten im Zimmer auf dem Sonnenfleck, den das Fenster auf den Boden zeichnete. Sie merkte, dass sie während des Telefonierens ins Wohnzimmer gegangen war, so wie sie es oft tat, wenn sie in Gedanken versunken war.
    Russell war ihr gefolgt und stand nun in der Tür zum anderen Zimmer.
    Sie sah ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Michael hatte sie gebeten, mit ihr allein sprechen zu dürfen. Wenn sie Russell mitnahm, würde sie ihn vielleicht verärgern, und er würde vielleicht nicht alles sagen, was er zu sagen hatte. Außerdem würde sie zugeben müssen, dass ihre Nichte in einem Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige lebte, und das war einfach zu viel für sie.
    Sie fasste einen Entschluss und verschob die Frage, ob die Entscheidung gut oder schlecht war, auf später.
    » Ich muss weg.«
    » Bedeutet der Singular, dass du allein fährst? Habe ich das richtig verstanden?«
    Das Wort » Explosionen « , das Vivien während des Gesprächs herausgerutscht war, hatte Russell aufhorchen lassen.
    » Ja. Ich muss jemanden treffen, und zwar allein.«
    » Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«
    Sie drehte ihm den Rücken zu. Im nächsten Moment schämte sie sich schon dafür.
    » Die Abmachung gilt hier nicht.«
    » Der Captain hat mir sein Wort gegeben, dass ich die Ermittlungen begleiten darf.«
    Vivien spürte, wie der Zorn in ihr wuchs. Weil er so war, wie er war. Weil sie so war, wie sie war. Weil sie etwas erlebte, das sie nicht beeinflussen konnte. Sie konnte es nur erdulden.
    Brüsk drehte sie sich um. Ihre Stimme war spröde und ihr Gesichtsausdruck hart.
    » Du hast das Wort des Captains, nicht meines.«
    Die Sekunde danach dauerte ein Jahrhundert.
    Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich gesagt habe …
    Russell wurde blass. Dann sah er sie einen Augenblick an, wie man jemanden anschaut, der weggeht und nie wiederkommt. Mit dieser abgrundtiefen Traurigkeit in den Augen.
    Schließlich verließ er schweigend die Wohnung, ohne dass sie die Kraft hatte, irgendetwas zu tun oder zu sagen. Das Letzte, was sie von ihm sah, war eine Tür, die ins Schloss gezogen wurde.
    Vivien fühlte sich so allein, wie sie sich noch nie gefühlt hatte. Am liebsten wäre sie hinausgelaufen und hätte ihn zurückgerufen, doch das konnte sie nicht tun. Nicht bevor sie nicht erfahren hatte, was Pater McKean ihr sagen wollte. Das Leben so vieler Menschen stand auf dem Spiel. Ihres und das von Russell waren da zweitrangig. Von jetzt an würde sie ihren ganzen Willen und ihren ganzen Mut brauchen und konnte nicht zulassen, dass ein Teil von ihr damit beschäftigt sein würde, sich einzugestehen, dass sie sich in einen Mann verliebt hatte, der sie nicht wollte.
    Sie wartete ein paar Minuten, um ihm die Zeit zu geben, das Gebäude zu verlassen und

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