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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Display.
    Vivien stellte die Verbindung her.
    » Hallo.«
    » Wie geht es dir?«
    » Es geht. Hast du Neuigkeiten?«
    » Ja, aber keine guten.«
    Schweigend wartete sie auf die kalte Dusche.
    » Willard hat sich heute früh mit der Army in Verbindung gesetzt. Der Name Wendell Johnson steht mit einem Militärgeheimnis in Zusammenhang. Es ist nicht möglich, seine Akte einzusehen.«
    Vivien spürte, wie der Zorn in ihr aufstieg.
    » Aber sind die denn verrückt? In einer solchen Situation …«
    Bellew unterbrach sie.
    » Ich weiß. Du vergisst aber zwei Dinge. Zum einen können wir keine Details über unseren Fall verraten. Und wenn wir es könnten, wäre die Spur viel zu dünn, um derart mächtige Mauern einzureißen. Der Chef hat in aller Vertraulichkeit den Bürgermeister eingeschaltet, da der an den Präsidenten herankommt. Doch so etwas dauert sogar beim wichtigsten Mann von Amerika eine Weile. Und wenn Russells Einschätzung stimmt, dann ist es gerade die Zeit, die uns fehlt.«
    » Das ist verrückt. All diese Toten …«
    Es war offensichtlich, dass der unvollendete Satz auch diejenigen miteinbezog, die vielleicht noch sterben würden.
    » Du hast Recht. Wir können aber im Augenblick nichts tun.«
    » Hast du noch etwas?«
    » Eine Kleinigkeit, die dir aber eine persönliche Genugtuung sein dürfte. Die DNA-Analyse hat ergeben, dass der Mann in der Mauer wirklich Mitch Sparrow ist. Du warst also auf dem richtigen Dampfer.«
    Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie das als Erfolg gewertet: die Identifizierung eines Opfers, dessen Mörder schon seiner gerechten Strafe zugeführt wurde, auch wenn sich diese Gerechtigkeit dem Verständnis entzog. Jetzt blieb nur ein erbärmlicher Stolz ohne jeglichen Trost.
    Vivien versuchte, der Trostlosigkeit etwas entgegenzusetzen, denn zumindest eines konnte sie tun, um die Wartezeit herumzubringen.
    » Ich möchte mir die Wohnung dieses Mannes anschauen.«
    Sie hatte schon » Wendell Johnson « sagen wollen, doch dann war ihr eingefallen, dass der Name nicht mehr stimmte. Mittlerweile war der Mann auch für die Ermittler das » Phantom der Baustelle « geworden.
    » Ich habe den Männern gesagt, dass sie nichts anfassen sollen. Mir war klar, dass du selbst noch einmal hinwillst. Ich schicke jemanden mit dem Schlüssel dort vorbei.«
    » Sehr gut. Ich fahre sofort los.«
    » Eines ist seltsam. In der gesamten Wohnung gibt es praktisch keine Fingerabdrücke.«
    » Das bedeutet möglicherweise, dass er sie abgewischt hat.«
    » Möglich. Oder unser Mann hatte gar keine Fingerabdrücke mehr. Vielleicht wurden sie von den Verbrennungen zerstört.«
    Ein Phantom.
    Ohne Namen, ohne Gesicht, ohne Fingerabdrücke.
    Ein Mann, der nicht einmal nach seinem Tod eine Identität haben wollte. Vivien fragte sich, was dieser Unglückliche durchgemacht haben mochte, um zu dem zu werden, was er geworden war, körperlich wie geistig. Und sie fragte sich, wie lange er schon diese Gesellschaft verflucht haben mochte, die sich sein Leben genommen hatte, ohne ihm etwas dafür zurückzugeben. In welchem Ausmaß er sie verflucht hatte, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Die vielen Toten waren Beweis genug.
    » Okay. Ich fahre gleich los.«
    » Lass von dir hören.«
    Vivien beendete das Gespräch und steckte das Handy in die Bademanteltasche. Dann spülte sie die Tasse ab, stellte sie auf das Abtropfgitter, ging ins Bad und drehte in der Dusche das Wasser an. Als es wohltuend über ihren Körper floss, musste sie unwillkürlich denken, dass die ganze Geschichte bereits ans Groteske grenzte. Nicht weil ihnen die Lösung immer wieder entglitt, sondern weil ihr das Schicksal immer neue lächerliche Fluchtwege anbot und die Wahrheit immer wieder überraschende Verstecke fand.
    Sie trat aus der Dusche, trocknete sich ab und zog frische Sachen an. Als sie die Kleidung vom Vortag in den Wäschekorb steckte, glaubte sie den Geruch der Enttäuschung daran zu riechen, den Geruch verwelkter Blumen.
    Als sie fertig war, rief sie Russell an.
    Eine unpersönliche Stimme sagte ihr, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei.
    Merkwürdig.
    Er war doch so erpicht darauf gewesen, bei den Ermittlungen dabei zu sein. Und er hatte einen solchen Scharfsinn bewiesen, dass sie sich kaum vorzustellen vermochte, was für ein solches Versäumnis verantwortlich sein könnte. Vielleicht schlief er noch. Menschen, die ein ungeregeltes Leben führen, entwickeln häufig die Fähigkeit, auf Kommando und über das normale Maß hinaus

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