Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
Vom Netzwerk:
in der Einfahrt. Schweigende Menschen, die sich wie dunkle Schatten bewegten. Ernsthafte Gesichter unter schwarzen Hüten. Wenn Ziggy einen von ihnen sah, hatte er jedes Mal den Eindruck, dass sie sogar beim Geldzählen beteten.
    Für ihn war das in Ordnung. Er wartete auf den Tag, an dem er sagen konnte: Es reicht! Dann würde er eine Wahl treffen.
    An die Wand seines Hauses, die fensterlos zur Straße wies, hatte jemand ein großes Bild gemalt. Künstlerisch anspruchsvoll war es nicht, doch an diesem tristen Ort waren die Farben immer wieder eine Freude. Ziggy betrat das Haus und stieg die Treppen zum Souterrain hinunter, wo er in einem einzigen Zimmer hauste, mit einem winzigen Bad, abgewohnten Kaufhausmöbeln und dem Geruch nach exotischen Gerichten, der aus den oberen Stockwerken herunterdrang. Das ungemachte Bett stand an der Wand, darüber befand sich, knapp unterhalb der Decke, das einzige Fenster, das zumindest ein wenig Tageslicht hereinließ. Die ganze Einrichtung machte einen antiquierten Eindruck, sogar die Zeichen der Moderne wie der hochauflösende Fernseher, der PC und der All-in-one-Drucker. Auf allem lag eine Staubschicht.
    Das einzig Ungewöhnliche an diesem Zimmer war ein Bücherregal, in dem sich ordentlich und in alphabetischer Folge die Bände aneinanderreihten. Weitere Bücher lagen im Zimmer herum, und neben dem Bett bildete ein Bücherstoß eine Art Nachttisch.
    Ziggy legte seine Beute auf den mit alten Zeitschriften übersäten Tisch, zog die Jacke aus und warf sie auf einen Sessel. Dann setzte er sich mit der Tasche aufs Bett, öffnete sie und breitete den Inhalt auf dem Laken aus. Zwei Tageszeitungen, die New York Times und USA Today, ein blau-gelbes Kunststoffbehältnis, das Werkzeug enthielt, eine Rolle Kupferdraht und eine Rolle graues Klebeband, wie Elektriker es benutzen. Schließlich zog er den Gegenstand heraus, der am meisten Platz eingenommen und der Tasche ihr Gewicht verliehen hatte: ein in braunes Leder eingebundenes Fotoalbum. Auf dem groben, ebenfalls braunen Papier klebten Schwarz-Weiß-Fotografien, unbekannte Menschen an unbekannten Orten. Es waren ziemlich alte Fotos. Der Kleidung der Menschen nach würde er auf die Siebziger tippen. Ziggy blätterte. Ein Foto erregte seine Aufmerksamkeit. Er löste es vorsichtig von den Klebestreifen und betrachtete es eine Weile. Es zeigte einen jungen Mann mit langen Haaren und einem Lächeln auf den Lippen, das sich in den Augen nicht fortsetzte. Er hatte eine große, schwarze Katze auf dem Arm. Die Aufnahme war ein richtiger Schnappschuss und hatte eine merkwürdige wechselseitige Zugehörigkeit eingefangen, als würden diese beiden Lebewesen auf ihre ganz eigene Weise ein Spiegelbild des jeweils anderen darstellen.
    Ziggy steckte das Foto in seine Hemdtasche und fuhr mit der Untersuchung des Tascheninhalts fort. Er holte einen schwarzen Plastikgegenstand heraus, etwas länger und schmaler als ein Päckchen Zigaretten. Ein Gummiband sollte verhindern, dass er sich öffnete. Auf der einen Seite befanden sich ein paar verschiedenfarbige Schalter.
    Erstaunt betrachtete Ziggy den Gegenstand, der wie eine selbstgebastelte, rudimentäre Fernbedienung aussah. Er legte ihn neben die anderen Sachen aufs Bett und holte als Letztes einen großen, leicht zerknitterten braunen Umschlag aus der Tasche. Teils schon abgegriffen, standen ein Name und eine Adresse darauf. Von der Größe her hätte man das Fotoalbum darin verschicken können.
    Ziggy schaute hinein und zog ein paar Blätter aus gewöhnlichem Papier heraus, die mit einer ungelenken, aber leserlichen Handschrift beschrieben waren. Es war die Handschrift eines Mannes, der vermutlich nicht sehr vertraut im Umgang mit Worten war, weder gesprochenen, noch geschriebenen.
    Er begann zu lesen. Die ersten Seiten waren ziemlich langweilig, eine grob und bisweilen sogar zusammenhanglos skizzierte Lebensgeschichte. Ziggy war eine Leseratte und konnte den Stil eines gebildeten Menschen sehr wohl erkennen. Der das hier geschrieben hatte, war kein solcher Mann gewesen.
    Nach einer Weile merkte er, dass ihn die Lektüre trotz der mangelnden literarischen Qualität zu fesseln begann. Das lag an dem, was da erzählt wurde. Er las mit wachsender Aufmerksamkeit, dann mit Interesse und schließlich wie im Fieber. Als er fertig war, sprang er unwillkürlich auf. Er spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief, und an seinen Unterarmen richteten sich, als befände er sich in einem elektrischen Feld,

Weitere Kostenlose Bücher