Ich Bin Gott
die Härchen auf.
Ziggy Stardust konnte kaum glauben, was er da gelesen hatte. Er ließ sich wieder auf das Bett sinken und starrte ins Unbestimmte.
Die große Gelegenheit war gekommen.
Was er in der Hand hielt, konnte Millionen Dollar wert sein, wenn er die richtigen Leute fand. Bei dieser Vorstellung schwindelte ihn. Die Möglichkeiten, die sich ihm boten, ließen ihn die sicheren Konsequenzen für andere vergessen.
Mit übertriebener Vorsicht legte er die Blätter aufs Bett, als handelte es sich um zerbrechliche Gegenstände. Dann überlegte er, wie er es anstellen sollte, aus diesem unverhofften Glücksfall Profit zu ziehen, und wie er das Material aufbereiten musste, damit er das größtmögliche Interesse erregen und den größtmöglichen Gewinn herausschlagen würde.
Und vor allem überlegte er, wen er kontaktieren könnte.
Die Gedanken schossen mit Lichtgeschwindigkeit durch sein Gehirn.
Er schaltete den Drucker an und legte die Blätter neben dem Computerbildschirm auf den Tisch. Das Allerwichtigste war es, Fotokopien zu machen. Eine Kopie würde ausreichen, jemandes Interesse zu erregen, und dieser Jemand würde bereit sein müssen, eine hübsche Summe zu bezahlen, um in den Besitz des Originals zu gelangen, das bis zum Abschluss des Geschäfts in seinem Besitz bleiben würde. Von den Kopien wiederum würde er nur diejenigen behalten, die eine Vorstellung vom Sachverhalt vermittelten, das Entscheidende jedoch nicht enthüllten. Die anderen Seiten würde er nach der Auswahl vernichten. Das Original des gesegneten Briefes würde er sofort in einen Umschlag stecken und an ein anonymes Postfach schicken, das er ab und zu nutzte. Dort würde es bleiben, bis jemand ihm einen Grund gab, es wieder abzuholen.
Und dieser Grund konnte nur eine hübsche Stange Geld sein.
Er begann, den Brief zu fotokopieren, und legte die Originalseiten neben die Kopien. Ziggy Stardust arbeitete immer äußerst sorgfältig. Und dies war die wichtigste Arbeit, die er je in seinem Leben verrichtet hatte.
Er legte eines der letzten Blätter auf die Glasscheibe, schloss den Deckel und drückte auf den Knopf. Der Scanner fuhr über die Seite und speicherte den Inhalt, doch dann merkte der Sensor, dass der Papiervorrat aufgebraucht war, und auf der linken Seite des Kopiergeräts leuchtete ein orangefarbenes Lämpchen auf.
Ziggy nahm einen Stapel Papier aus einem Karton, der auf einem Regalbrett im Bücherregal stand, und legte es in die Kassette.
In diesem Augenblick hörte er hinter sich ein Geräusch, ein leises metallisches Knacken, als würde ein Schlüssel im Schlüsselloch abbrechen. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie die Tür aufging und ein Mann in einer grünen Jacke hereinkam.
Nicht jetzt, nicht ausgerechnet jetzt, wo alles zum Greifen nahe ist …
Ein Messer blitzte vor seinem Gesicht auf.
Bestimmt die Klinge, mit der das verfluchte Schloss aufgebrochen worden war. Der Blick des Mannes sagte ihm, dass er es nicht dabei belassen würde.
Ziggy spürte, wie seine Beine nachgaben. Er hatte nicht die Kraft, noch etwas zu sagen. Als der Mann auf ihn zukam, begann Ziggy Stardust zu weinen. Aus Angst vor dem Schmerz und aus Angst vor dem Tod.
Aber vor allem aus Enttäuschung.
11
Der Volvo schwamm mühelos im Verkehrsstrom, der sie Richtung Bronx trieb. Um diese Uhrzeit konnte die Fahrt Richtung Norden zu einer langen Reise werden, doch kaum war Vivien aus Manhattan heraus, lief der Verkehr flüssig. Sie hatte die Triborough Bridge rechts hinter sich gelassen und war dann auf dem Bruckner Expressway ziemlich rasch vorangekommen.
Hinter ihr ging die Sonne unter, und die Stadt bereitete sich auf die Dämmerung vor. Die Himmelskuppel war von einem so klaren und leuchtenden Dunkelblau, dass sie geradezu von Hand bemalt worden zu sein schien. Eine Farbe, die nur die New Yorker Brise bescheren konnte, wenn sie dieses Stückchen der Unendlichkeit, die jeder über sich zu haben wähnt, blank wischte.
Die leise Musik aus dem Radio – ein Geräusch mit Regeln und Intentionen, das sich mit dem eintönigen Verkehrsrauschen mischte – wurde plötzlich vom Autotelefon unterbrochen.
Vivien schaltete die Freisprechanlage an und gestattete der Stimme des Anrufers, in ihr Auto und in ihre Gedanken einzudringen.
» Vivien?«
» Ja.«
» Hallo. Hier ist Nathan.«
Unnötige Präzisierung. Sie hatte die Stimme ihres Schwagers längst erkannt. Sie würde sie auch im Getöse einer Schlacht erkennen.
Was willst du von mir, du
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