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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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hinunterstieg, konnte er nicht umhin, sich diese Überzeugung noch einmal zu vergegenwärtigen. Es war besser, alle glauben zu lassen, dass man ein Niemand war, als dass irgendwann irgendjemand kam und glaubte, es einem zeigen zu müssen.
    Am Bahnsteig stieg er in die grüne Linie in Richtung Uptown. Das Öffnen und Schließen der Türen, das beständige Rein und Raus der gehetzten Fahrgäste, die einfach nur woanders sein wollten, bedeutete Gedränge, Geschiebe, Körperkontakt, Schweißgeruch. Doch es bedeutete auch Geldbörsen und Unaufmerksamkeit, die beiden Grundvoraussetzungen für seine Arbeit. Immer gab es eine offene Handtasche, eine Jackentasche in Griffweite, einen Rucksack neben jemandem, der in ein spannendes Buch vertieft war und alles um sich herum vergaß. Ziggy musste grinsen, wenn er daran dachte, dass sich die Autoren fesselnder Bestseller eigentlich am täglichen Taschendiebstahl in der Subway mitschuldig machten.
    Natürlich waren die goldenen Zeiten längst vorbei. Immer weniger Bargeld war im Umlauf, weil die Kreditkarten die Vorherrschaft übernommen hatten. Deswegen hatte er beschlossen, sich weitere Standbeine zuzulegen, wie es schließlich auch die Broker im Fernsehen rieten.
    Ein überraschender Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Er hatte sich nie als einen Menschen gesehen, auf den eine solche Bezeichnung zutreffen könnte, doch jetzt sah er schon seine Visitenkarte vor sich.
    Ziggy Stardust
    Broker
    Fast hätte er laut gelacht.
    Achtung, die Türen schließen, warnte die automatische Lautsprecheransage.
    Ziggy ging in den vorderen Teil des Wagens, wo die meisten Menschen waren. Zwischen Ellbogen und Knoblauchschwaden hindurch drängelte er sich an den Leuten vorbei. Neben der Tür saß ein Mann unbestimmten Alters in einer grünen Militärjacke. Von seinem Standpunkt aus konnte Ziggy ihn nicht gut sehen, denn das Gesicht war in einer blauen Kapuze verborgen, die aus dem Jackenkragen ragte. Der Kopf war leicht zur Seite geneigt, als wäre der Mann beim Schaukeln des Wagens eingenickt. Neben seinen Füßen stand eine dunkle Stofftasche von der Größe eines Aktenkoffers.
    Ziggy verspürte ein leichtes Kribbeln in den Fingerspitzen. Ein Teil von ihm war mit einer fast übersinnlichen Wahrnehmung ausgestattet, wenn es darum ging, Opfer auszumachen. Ein verborgener Teil seines Wesens, der ihm das Gefühl vermittelte, für diese Arbeit geboren zu sein. Die Kleidung des Mannes ließ zwar in keiner Weise vermuten, dass in der Tasche etwas Wertvolles sein könne, doch seine Hände sahen nicht so aus, als würde er schwere Arbeiten verrichten. Und die Armbanduhr schien eine Markenuhr zu sein.
    Hinter dieser Erscheinung verbarg sich etwas, und sein Instinkt hatte ihn bislang nur selten getrogen. Mit der Zeit hatte er gelernt, auf ihn zu hören.
    Einmal hatte er ohne eine solche Eingebung einem Typen in Jackett und Krawatte die Geldbörse aus der Tasche gezogen, nur weil er bei der Berührung gespürt hatte, dass allein der Kaschmirmantel viertausend Dollar wert war. Später hatte er in der Börse sieben Dollar, eine gefälschte Kreditkarte und eine Monatskarte für die Subway gefunden.
    Bettler.
    Er trat näher an den Mann in der grünen Jacke heran, blieb aber auf der anderen Seite der Tür stehen. So wartete er eine Reihe von Haltestellen ab, rückte dann zur Mitte und stellte sich, als wollte er die Tür freigeben, direkt neben ihn.
    Die Stofftasche stand auf dem Boden, dicht neben seinen Füßen, die Griffe in der perfekten Position, damit er
    an der richtigen Haltestelle zupacken
    und dann aussteigen konnte, während andere Fahrgäste in den Waggon drängten. Er prüfte, ob der Kopf des Mannes sich immer noch in derselben Haltung befand. Er hatte sich nicht bewegt. Viele schliefen in den Zügen ein, besonders wenn sie eine lange Fahrt vor sich hatten. Ziggy war überzeugt davon, dass der Mann zu dieser Kategorie gehörte. Er wartete, bis sie die Grand Central Station erreichten, wo der Strom der aus- und einsteigenden Menschen dichter war. Kaum waren die Türen aufgegangen, griff er mit einer raschen und vollkommen natürlichen Bewegung nach der Tasche und verdeckte sie sofort mit seinem Körper.
    Als er in der Menge verschwand, glaubte er, kurz vor Abfahrt des Zuges jemanden mit einer grünen Jacke aus dem Wagen springen zu sehen.
    Shit.
    Im Grand Central Terminal wimmelte es immer von Bullen. Wenn dieser Typ ihn erwischte, würde es eine hübsche Szene geben, vielleicht sogar ein paar Tage

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