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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Mannes lag, der älter war als ihr Vater.
    Roosevelt Island hatten sie hinter sich gelassen und fuhren nun am East River entlang in Richtung Downtown, als es passierte. Etwa eine halbe Meile vor ihnen legte sich plötzlich ein greller Schein über die Lichter der Stadt und löschte sie aus. Für einen Moment war es, als konzentrierte sich alles Licht der Welt in diesem Leuchten.
    Dann schien die Straße unter den Rädern zu beben, und durch die Fenster drang das gierige Dröhnen einer Explosion.

12
    Russell Wade war gerade nach Hause gekommen, als plötzlich die Lower East Side in blendendes Licht getaucht wurde. Die großen, vom Boden bis zur Decke reichenden Wohnzimmerfenster bildeten den Rahmen für diesen Blitz, der so lebendig war, dass es fast wie ein Spiel wirkte. Doch der Blitz erlosch nicht, sondern leuchtete weiter und schluckte alle anderen Lichter in der Ferne.
    Gefiltert durch die bruchsicheren Scheiben drang ein dumpfes Dröhnen, das kein Donner war, sondern dessen zerstörerische menschliche Imitation. Dann erklang eine mehrstimmige Sinfonie von Alarmanlagen, die von der Druckwelle ausgelöst worden waren, zahnlos hysterisch, wie nutzlose kleine Hunde in einem Zwinger.
    Die Vibration ließ Russell einen Schritt zurückweichen. Er wusste, was geschehen war. Er hatte es sofort begriffen. So etwas hatte er anderswo schon einmal gesehen und am eigenen Leib gespürt. Er wusste, dass dieses Leuchten Ungläubigkeit und Überraschung bedeutete, Schmerz und Staub, Schreien, Verletzte, Flüche, Gebete.
    Und Tod.
    Ebenso plötzlich blitzten die Bilder und Erinnerungen auf.
    » Robert, bitte …«
    Doch die fieberhafte Unruhe hatte seinen Bruder schon gepackt. Er überprüfte Fotoapparate und Objektive und sah nach, ob die Filmrollen an ihrem Platz in seiner Jackentasche waren. Ohne ihm ins Gesicht zu schauen. Vielleicht schämte er sich, oder er sah im Geiste schon die Fotos vor sich, die er machen würde.
    » Es wird nichts passieren, Russell. Du kannst ruhig hierbleiben.«
    » Und du, wohin gehst du?«
    Robert roch seine Angst. Er war diesen Geruch gewöhnt. Die ganze Stadt war damit getränkt. Er lag in der Luft wie eine schlimme Vorahnung, die sich bewahrheitet, wie ein Albtraum, der beim Aufwachen nicht verschwindet, wie die Schreie Sterbender, die nach dem Tod nicht aufhören.
    Robert sah Russell an. Vielleicht nahm er ihn zum ersten Mal richtig wahr, seit sie nach Pristina gekommen waren. Ein verschreckter Junge, der nicht hier sein dürfte.
    » Ich muss hin. Ich muss da draußen sein.«
    Russell hatte begriffen, dass es nicht anders sein konnte. Im selben Moment war ihm klar geworden, dass er niemals, nicht in hundert Leben, wie sein Bruder sein würde. Er war in den Keller zurückgekehrt, durch die mit dem schmierigen Teppich abgedeckte Falltür, und Robert war durch die Tür hinausgegangen. Hinaus in die Sonne, in den Staub, in den Krieg.
    Es war das letzte Mal, dass Russell ihn lebend gesehen hatte.
    Wie als Reaktion auf diese Erinnerung lief er ins Schlafzimmer, wo auf dem Schreibtisch einer seiner Fotoapparate lag. Den Apparat in der Hand, ging er zum Fenster zurück, löschte auf dem Weg alle Lichter, um Spiegelungen zu vermeiden, und fotografierte mit unterschiedlichen Einstellungen diesen fernen, hypnotischen, in eine ungesunde Aura gehüllten Schein. Er wusste, dass die Fotos keinen Zweck erfüllen würden, doch er machte sie trotzdem. Um sich selbst zu bestrafen. Um sich daran zu erinnern, wer er war, was er getan hatte und was er nicht getan hatte.
    Jahre waren vergangen, seit sein Bruder durch jene Tür verschwunden war, die das Sonnenlicht hereingelassen und für einen Moment das Rattern der Maschinengewehre verstärkt hatte.
    Nichts hatte sich geändert.
    Seit jenem Tag hatte es nicht einen Morgen gegeben, an dem Russell nicht gleich nach dem Aufwachen dieses Bild vor Augen und diesen Klang in den Ohren gehabt hatte. Seit jenem Tag war jede seiner sinnlosen Fotografien nur ein neues Fotogramm seiner alten Angst gewesen. Er stellte scharf und drückte auf den Auslöser, immer wieder. Dann begann er zu zittern. Ein animalisches Zittern der Wut, ohne Klage, aus reinem Instinkt, als zitterte in Wirklichkeit nur seine Seele und hätte die Macht, seinen Körper zu schütteln und zu schlagen.
    Das Klicken des Objektivs wurde neurotisch
    ritschklick
    ritschklick
    ritschklick
    ritschklick
    ritschklick
    als würde jemand in hysterischer Mordlust alle Patronen auf seine Opfer verschießen
    Robert
    der

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