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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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jetzt?«
    Peter deutete mit dem Kopf die Straße hinunter.
    » In meinem Auto. Ein Kollege hat ein Auge auf sie.«
    Vivien drückte ihm die Hand. Es war ein Geben und Nehmen.
    » Danke, Peter. Du bist ein wahrer Freund. Du hast etwas bei mir gut. Tausendmal mehr als etwas.«
    Sie gingen auf das Auto zu, und Vivien brachte die Strecke wie eine Schlafwandlerin hinter sich, getrieben von der Dringlichkeit und der Furcht, ihre Nichte zu sehen, mit …
    … derselben Unruhe, mit der sie auch jetzt auf sie wartete.
    Das Geräusch von Schritten brachte sie wieder in eine Gegenwart zurück, die nur wenig besser war als die Vergangenheit. Sie öffnete die Augen.
    Dann erhob sie sich und wandte sich zur Tür. Ihre Nichte stand mit einer Sporttasche in der Hand vor ihr. Sie war genauso schön wie ihre Mutter, und wie ihre Mutter war sie innerlich zerrissen. Doch für sie gab es Hoffnung. Es musste Hoffnung geben.
    John Kortighan war in der Tür stehen geblieben. Beschützend und wachsam wie immer, aber diskret genug, um diesen intimen Moment nicht mit seiner Gegenwart zu stören. Er nickte Vivien zu, Gruß und Bestätigung zugleich. Vivien erwiderte den Gruß. Kortighan war die rechte Hand von Pater McKean, dem Gründer des Joy, der Einrichtung, die sich um Sundance und andere Jugendliche mit ähnlichen Erfahrungen bemühte.
    Vivien strich sanft über die Wange ihrer Nichte. In ihrer Gegenwart fühlte sie sich immer irgendwie schuldig. Weil sie so vieles nicht getan hatte. Weil sie so sehr mit Menschen beschäftigt gewesen war, die weit weg von ihr waren, und nicht begriffen hatte, dass jemand sie brauchte, der praktisch neben ihr stand. Und der auf seine Weise um Hilfe schrie, ohne dass jemand es hörte.
    » Gut, dich zu sehen, Sundance. Du bist sehr schön heute.«
    Das Mädchen lächelte. In ihren Augen blitzte es boshaft, aber ohne jede Provokation.
    » Du bist schön, Vunny. Und ich bin wunderschön, das weißt du doch.«
    Sie griff damit ein Spiel aus ihrer Kinderzeit auf. Damals hatten sie sich wechselseitig mit diesen Komplimenten bedacht, die jetzt zu einer Art Code geworden waren. Vivien hatte Sundance die Haare gebürstet und ihr erzählt, dass sie eines Tages eine wunderschöne Frau werden würde, Model oder Schauspielerin vielleicht. Gemeinsam hatten sie sich ausgemalt, was alles geschehen mochte.
    Alles, außer dem, was dann wirklich geschehen war …
    » Was meinst du, sollen wir losfahren?«
    » Klar. Ich bin fertig.«
    Sundance nahm die Tasche, in der sich alles Notwendige für ihre gemeinsamen Tage befand.
    » Hast du deine Konzertklamotten eingepackt?«
    » Alles dabei.«
    Vivien hatte zwei Karten für das morgige Konzert von U 2 im Madison Square Garden ergattern können. Sundance war ein Fan dieser Band, was nicht wenig dazu beigetragen hatte, dass sie nun zwei Tage freibekam.
    » Also los.«
    Sie gingen zu John hinüber. Er war mittelgroß und kräftig und trug im Augenblick eine einfache Jeans und ein Sweatshirt. Sein freundliches Gesicht und sein offener Blick zeugten von der positiven Haltung eines Menschen, der mehr an die Zukunft als an die Vergangenheit denkt.
    » Bye, Sundance. Wir sehen uns dann am Montag.«
    Vivien streckte ihm die Hand hin, und er drückte sie kräftig.
    » Danke, John.«
    » Ich danke dir. Viel Vergnügen euch beiden. Geht nur, ich bleibe noch ein bisschen hier.«
    Die beiden Frauen gingen hinaus und ließen John in der Stille der Kirche zurück.
    Der Abend hatte schon jegliches natürliche Licht verscheucht und schmückte sich jetzt mit künstlichem. Vivien und Sundance stiegen ins Auto und fuhren in Richtung Manhattan, dem Triumph dieses leuchtenden Make-ups entgegen. Vivien saß ganz ruhig am Steuer und überließ es ihrer Nichte, über alles zu reden, was ihr in den Sinn kam.
    Weder sie noch das Mädchen sprachen über die Mutter, als hätten sie eine heimliche Übereinkunft, dass jeder düstere Gedanke von jetzt an verboten sei. Nicht weil sie die Erinnerung auslöschen wollten. Vielmehr nährten sie die unausgesprochene Gewissheit, dass das, was sie wieder aufzubauen versuchten, nicht allein ihnen beiden zugutekam.
    So fuhren sie weiter, und Vivien hatte das Gefühl, dass sie bei jeder Umdrehung der Räder und bei jedem Herzschlag ein wenig aus der Rolle von Tante und Nichte herausfielen und zunehmend zu Freundinnen wurden. Sie spürte, dass sich in ihr etwas löste. Das quälende Bild von Greta verblasste und mit ihm das Bild einer Sundance, die nackt in den Armen eines

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