Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
Vom Netzwerk:
Mauern bestanden aus Ziegelsteinen, hastig überstrichen in einer Farbe, die einmal Beige gewesen sein musste. Die Wände waren fleckig. Es roch nach gekochtem Kohl und Feuchtigkeit. Als er um die Ecke bog, hatte er eine Flucht von mattbraunen Türen vor sich. Soeben trat jemand aus der Tür am Ende des Korridors, die auch sein Ziel war. Ein Mann mit einer grünen Militärjacke und einer blauen Kapuze auf dem Kopf. Mit entschiedenen Schritten schlug er die entgegengesetzte Richtung ein und verschwand um die Ecke, wo es zur Treppe zum Hof ging.
    Russell schenkte ihm keine große Beachtung. Vermutlich handelte es sich um einen der vielen Kontakte, die der umtriebige Ziggy haben musste. Als er die Tür erreichte, war sie nur angelehnt. Er schob sie auf und hatte sofort das gesamte Zimmer im Blick. Dann geschah alles blitzschnell und gleichzeitig in die Einzelbilder einer Zeitlupe zerlegt.
    Ziggy kniete auf den Boden, das Hemd voller Blut, und versuchte, sich an einem Stuhl hochzuziehen
    er ging näher, die knochige Hand des malträtierten Mannes auf seinem Arm
    Ziggy stützte sich auf den Tisch und deutete auf den Drucker
    er begriff nicht
    Ziggy drückte auf eine Taste und hinterließ einen roten Fleck dort
    er lauschte, hörte aber nicht das Rascheln des Papiers, das aus dem Drucker kam
    Ziggy mit dem Foto in der Hand
    er zu Tode erschrocken
    schließlich Ziggy, der sich zusammenkrümmte, seinen letzten Atemzug tat, einen Schwall Blut ausspie. Mit einem dumpfen Geräusch fiel er zu Boden, und Russell stand mitten im Raum, ein Schwarz-Weiß-Foto und ein bedrucktes Papier in der Hand, beide voller roter Flecken.
    Er sah das Bild seines Bruders vor sich, wie er blutüberströmt im Staub lag.
    Ohne sich bewusst zu sein, was er tat, steckte er Papier und Foto mit hölzernen Bewegungen in die Tasche. Dann floh er, getrieben von der Logik und dem Instinkt eines Tiers. Die Vernunft ließ er an diesem Ort zurück, der nach gekochtem Kohl und Feuchtigkeit und Gegenwart und Vergangenheit roch. Er kam zu seinem Auto, ohne jemandem begegnet zu sein. Nachdem er den Motor gestartet hatte, befahl er sich, langsam zu fahren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Er fuhr wie in Trance, bis sein Atem und sein Herzschlag wieder normal waren. In einer kleinen Straße hielt er an und dachte nach. Zweifellos war er aus reinem Instinkt weggelaufen, wusste aber zugleich, dass es die falsche Entscheidung gewesen war. Er hätte die Polizei rufen sollen. Das hätte allerdings auch bedeutet, erklären zu müssen, warum er sich an diesem Ort befand und was er mit Ziggy zu schaffen hatte. Und wer wusste schon, in welcher Scheiße der steckte. Außerdem konnte es ja sein, dass der Typ mit der grünen Jacke es gewesen war, der den armen Kerl niedergestochen hatte. Die Vorstellung, dass er aus irgendeinem Grund zurückkommen könnte, war keine erfreuliche Aussicht. Russell wollte nicht als zweite Leiche neben Ziggy enden.
    Nein. Besser so tun, als wäre nichts geschehen. Niemand hatte ihn gesehen, er hatte keine Spuren hinterlassen, und in dieser Gegend kümmerten sich die Leute ohnehin nur um ihren eigenen Kram. Außerdem hatten sie eine natürliche Abneigung dagegen, sich der Polizei zu offenbaren.
    Nachdem er nachgedacht und eine Entscheidung getroffen hatte, bemerkte er auf dem rechten Ärmel seiner Jacke Blutflecken. Er leerte die Taschen und warf alles auf den Beifahrersitz. Dann stellte er sicher, dass niemand in der Nähe war, stieg aus und warf das Kleidungsstück in einen Müllcontainer. In einem Anflug von Selbstironie, der ihn angesichts der Umstände überraschte, sagte er sich, dass er bald Probleme mit seiner Garderobe bekommen würde, wenn er täglich zwei Jacken wegwarf.
    Dann stieg er ins Auto und kehrte nach Hause zurück. Dort fuhr er von der Tiefgarage direkt mit dem Aufzug in sein Stockwerk. So würde der Doorman nicht sein Gehirn anstrengen müssen, um sich darauf zu besinnen, dass er mit Jacke weggegangen und ohne wiedergekehrt war.
    Er hatte soeben seine Sachen auf den Tisch gelegt, als die Explosion erfolgt war.
    Nun erhob er sich vom Sofa, schaltete das Licht wieder an und blickte in den hellen Schein im Osten. Die Geschehnisse des Nachmittags gingen ihm nicht aus dem Kopf. Jetzt, da er klar nachdenken konnte, fragte er sich, warum Ziggy seine letzten Kräfte und die letzten Momente seines Lebens dafür aufgewendet hatte, dieses Papier auszudrucken und es ihm zusammen mit dem Foto in die Hand zu drücken. Was konnte daran so

Weitere Kostenlose Bücher