Ich Bin Gott
der alte Bus über den Kiesweg zur Grundstücksausfahrt holperte und das Haus in einer Staubwolke zurückließ, nahm das Gefühl einer bevorstehenden Bedrohung wieder von seinen Gedanken Besitz. Er sah die Fernsehbilder vor sich und hatte den Eindruck, dass der Wind, der den Engeln und den Menschen das Weinen verbot, plötzlich zu wehen aufgehört hatte.
14
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
Der Ambo, zu dem es ein paar Stufen hinaufging, befand sich rechts vom Altar. Dort stand Pater McKean, nachdem er die Lesung beendet hatte, schwieg eine Weile und blickte auf das Blatt vor sich, als wollte er seinen Worten Zeit lassen, alle Menschen in der Kirche zu erreichen. Ein langer Weg. Schließlich hob er den Kopf und ließ seinen Blick durch die gut besuchte Kirche schweifen.
Dann begann er zu sprechen.
» Die Sätze, die ihr soeben gehört habt, stammen aus einer der berühmtesten Predigten Jesu. Sie ist dies nicht nur wegen der Schönheit und der beschwörenden Kraft ihrer Worte, sondern auch aufgrund ihrer Bedeutung für die kommenden Jahrhunderte. In diesen wenigen Sätzen steckt das vollständige Wesen der Lehre, die Jesus in seinen letzten drei Lebensjahren gepredigt hat. Er, der Mensch geworden ist, hat einen neuen Bund zwischen Gott und den Menschen geschlossen. Mit seiner Botschaft hat er uns den Weg der Hoffnung gewiesen und nicht den des Verzagens. Das heißt nicht, dass ein jeder von uns hinnehmen muss, was ihm in einer Welt, die von Gott gemacht ist, aber von den Menschen regiert wird, an Ungerechtem, Schmerzlichem und Unheilvollem begegnet. Jesus erinnert uns vielmehr daran, dass Kraft und Halt im alltäglichen Kampf aus dem Glauben erwachsen. Um diesen bittet er uns. Er befiehlt uns nicht zu glauben, sondern bittet uns darum. Wie ein Freund.«
McKean machte eine Pause und schlug die Augen nieder. Als er wieder aufblickte, konnte man Tränen über seine Wangen laufen sehen, und er schämte sich nicht dafür.
» Ihr alle wisst, was gestern Abend in unserer Stadt geschehen ist. Die furchtbaren Bilder, die jeder von uns vor Augen hat, sind nicht neu. Auch das Entsetzen, der Schmerz und das Mitleid angesichts einer Prüfung wie dieser sind nicht neu.«
Er ließ den Anwesenden einen Moment Zeit, um zu begreifen, um sich zu erinnern.
» Es ist eine Prüfung, die wir alle bestehen müssen, jeder Einzelne von uns, denn der Schmerz, der einem einzigen Menschen zugefügt wird, wird der ganzen Menschheit zugefügt. Da wir aus Fleisch und Blut gemacht sind, mit all unseren Stärken und Schwächen, drängt sich uns sofort eine Frage auf, wenn uns ein Unheil trifft, das wir nicht verstehen, das unsere Existenz bedroht und unsere Toleranz strapaziert. Warum hat Gott uns verlassen, lautet diese Frage. Wir fragen uns, warum er zulässt, dass diese Dinge geschehen, obwohl wir doch seine Kinder sind. Auch Jesus hat das getan, als er am Kreuz spürte, wie sein menschlicher Teil den Tribut an Schmerz leistete, den der Wille des Vaters von ihm gefordert hat. Und Jesus, müsst ihr wissen, hatte in diesem Moment keinen Glauben …«
Er machte eine Pause. In der Kirche herrschte an diesem Sonntag eine völlig neue Stille.
» Jesus war in diesem Moment der Glaube.«
Diesen Satz betonte der Pater besonders. Dann fuhr er fort.
» Wenn dies dem Mensch geschehen ist, der auf die Welt gekommen ist, um uns zu erlösen, dann ist es nur verständlich, dass es auch uns geschehen kann, die wir die Begünstigten dieses Willens und dieses Opfers sind. Das ist es, wofür wir jedes Mal Dank sagen, wenn wir vor einem Altar stehen.«
Wieder eine Pause, dann verwandelte sich die Stimme des Predigers in die eines Vertrauten.
» Bedenkt, dass man einen Freund für das respektiert, was er
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