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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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hatte, ganz gleich von welchem Gott man sprach. Unwillkürlich kam Michael McKean – dem Menschen, nicht dem Geistlichen – eine Frage in den Sinn. Vor einiger Zeit hatte Johannes Paul II. die Welt für das Verhalten der katholischen Kirche während der Inquisition vor etwa vierhundert Jahren um Vergebung gebeten. Für welche Untat, die man jetzt beging, würde ein Papst in vierhundert Jahren um Vergebung bitten? Weswegen würden alle Menschen, die sich zu einem Glauben bekannten, um Vergebung bitten?
    Der Glaube war eine Gabe. Wie die Liebe, die Freundschaft und das Vertrauen konnte er nicht dem Verstand entspringen. Der Verstand konnte nur gelegentlich dazu verhelfen, den Glauben am Leben zu erhalten. Er war das andere Gleis, das parallel in eine Richtung lief, die man nicht kennen konnte. Doch wenn man im Glauben den Verstand verlieren konnte, dann verlor man auch die Liebe, die Freundschaft, das Vertrauen, die Güte.
    Und also auch die Hoffnung.
    Seit es das Joy gab, hatte er junge Menschen um sich herum, die dieses Gefühl erst gar nicht kennen gelernt oder es im Laufe ihrer kurzen, unglücklichen Reise verloren hatten. Im Tausch gegen Hoffnung hatten sie nur die fürchterliche Gewissheit gewonnen, dass das Leben einzig aus Sackgassen, Tricksereien, Schatten, unerfüllten Wünschen, Schlägen und verweigerter Zuneigung bestand. Sie hatten erfahren, dass die schönen Dinge des Lebens nur für andere da waren. So hatten sie, wenn sie sich gegen das Leben und gegen sich selbst wandten, nichts zu verlieren, weil sie im Nichts lebten.
    Und viele verloren sich in diesem Nichts.
    Es klopfte. Pater McKean ging zur Tür und öffnete. Vor ihm stand John Kortighan, der weltliche Leiter des Joy. Er war das personifizierte positive Denken. Und Gott allein wusste, wie viel davon jeden Tag an einem Ort wie diesem erforderlich war.
    John war zuständig für alle praktischen Erfordernisse der Einrichtung, die technisch betrachtet zwar leicht zu verwalten war, aber aus verschiedenen Gründen ziemlich komplexe Anforderungen stellte. Er war Organisator, Verwalter, Manager und noch viel mehr. Außerdem war er ein wirklich feiner Mensch. Dafür bekam er ein spärliches Gehalt, das obendrein selten pünktlich gezahlt wurde. Nachdem er die Stelle angetreten hatte, war Pater McKean zunächst ungläubig und schließlich begeistert gewesen, als hätte er ein unerwartetes Geschenk erhalten. Er hatte John Kortighan richtig eingeschätzt und seine Wahl nie bereut.
    » Alle sind bereit, Michael.«
    » Sehr gut. Gehen wir.«
    Er nahm seine Jacke von der Garderobe, trat aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu, ohne abzuschließen, denn im Joy gab es keine Schlösser und Riegel. Seinen Schützlingen versuchte er immer zu vermitteln, dass sie sich nicht in einem Gefängnis befanden, sondern an einem Ort, an dem die freie Entscheidung die Grundlage allen Handelns war. Jeder war für sich selbst verantwortlich und konnte das Joy verlassen, wann immer er es für richtig hielt. Viele von den Jugendlichen waren ins Joy gekommen, weil sie sich da, wo sie vorher gewesen waren, eingesperrt gefühlt hatten.
    Pater McKean wusste das, und er wusste auch, dass der Kampf gegen die Droge ein langer, mühsamer Weg war. Jeder seiner Schützlinge kämpfte gegen ein körperliches Bedürfnis an, das sich in ein echtes Leiden verwandeln konnte. Zugleich musste sich jeder von ihnen mit den inneren und äußeren Ursachen auseinandersetzen, die ihn in die abgrundtiefe Düsternis getrieben hatten, eine Düsternis, die auch das hellste Licht nicht vertreiben konnte. All das geschah im Bewusstsein, dass man die körperlichen Qualen besiegen und alles andere vergessen konnte, wenn man sich einfach eine Pille einwarf, eine Line Koks schnupfte oder sich eine Nadel in die Venen jagte.
    Manche schafften es nicht. Dann stand man morgens nach dem Aufwachen vor einem leeren Bett und vor einer Niederlage, die schwer zu verkraften war. In solchen Momenten suchten die anderen Jungen und Mädchen Pater McKeans Nähe. Indem sie ihm so ihr Vertrauen und ihre Zuneigung bewiesen, erhielten die Dinge wieder einen Sinn und er selbst die Kraft zum Weiterzumachen, deutlich verbittert und um eine Erfahrung reicher.
    Als sie die Treppen hinuntergingen, konnte John nicht umhin, die Geschehnisse in Manhattan zu kommentieren. Wahrscheinlich sprach man in der ganzen Welt von nichts anderem.
    » Hast du die Nachrichten verfolgt?«
    » Nicht alle, aber hinreichend viele.«
    » Ich hatte

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