Ich Bin Gott
heute Vormittag zu tun. Gibt es etwas Neues?«
» Nein. Zumindest nichts, was der Presse bekannt wäre.«
» Was glaubst du, wer dafür verantwortlich ist? Islamistische Terroristen?«
» Keine Ahnung. Ich habe noch keine Meinung dazu. Vermutlich gilt das für alle im Moment. Beim letzten Mal ist ziemlich rasch klar gewesen, dass es sich um einen Anschlag gehandelt hat.«
Es bedurfte keiner weiteren Erklärung. Beide wussten, worauf sich » das letzte Mal « bezog.
» Einer meiner Cousins ist bei der Polizei, sogar in einem Revier in der Lower East Side. Heute Vormittag habe ich mit ihm telefoniert. Er war dort. Viel konnte er nicht sagen. Scheint aber ziemlich schlimm zu sein.«
John blieb einen Moment auf dem letzten Treppenabsatz stehen.
» Viel schlimmer, als es aussieht, meine ich.«
Schweigend gingen sie die letzten Stufen hinunter und fragten sich, was die entsetzliche Tat noch schlimmer machen könnte. Sie durchquerten die Küche, die für die Bedürfnisse von dreißig Personen eingerichtet war. Zur Zeit bereiteten die drei für den Küchendienst eingeteilten Bewohner und die Köchin Mrs. Carraro das Sonntagsessen vor.
Der riesige Raum ging nach hinten hinaus und war wegen der großen Fenstern sehr hell. In der Mitte stand unter einer Dunstabzugshaube der Herd, und entlang der Wände befanden sich die Arbeitsflächen und die Kühlschränke.
Pater McKean ging zum Herd und stellte sich neben die Köchin, die ihm den Rücken zukehrte und ihn gar nicht bemerkte. Als er den Deckel anhob, wallte eine Dampfwolke zum Abzug und hinterließ den verführerischen Duft einer Nudelsoße.
» Guten Tag, Mrs. Carraro. Womit vergiften Sie uns denn heute?«
Janet Carraro, eine füllige Frau mittleren Alters, die nach eigenen Angaben noch zwei Pfund vom Dicksein trennten, fuhr zusammen. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, nahm dem Pater den Deckel aus der Hand und legte ihn wieder auf den Topf.
» Nur damit Sie es wissen, Pater McKean: Diese Nudelsoße könnte man eine Gaumensünde nennen.«
» Wir müssen also nicht nur um unsere Leiber fürchten, sondern auch um unsere Seelen?«
Die Jungen und Mädchen, die auf der anderen Seite der Küche das Gemüse putzten, mussten lachen. Derartige Wortgeplänkel war man gewohnt. Mit diesen Darbietungen brachten die beiden ihre gegenseitige Zuneigung zum Ausdruck und sorgten für allgemeine Erheiterung. Die Köchin nahm einen Kochlöffel, stippte ihn in die Soße und reichte ihn mit einem herausfordernden Blick an den Pater weiter.
» Überzeugen Sie sich selbst, Sie ungläubige Person. Und denken Sie an den heiligen Thomas.«
McKean führte den Löffel an die Lippen, pustete, damit die Soße abkühlte, und steckte ihn dann in den Mund. Der Ausdruck des Zweifels wich dem der Ekstase. Der kräftige Geschmack von Mrs. Carraros Amatriciana-Soße war unverkennbar.
» Ich bitte um Vergebung, Mrs. Carraro. Dies ist die beste Bolognese, die ich je probiert habe.«
» Das ist aber Amatriciana!«
» Dann sollten sie es ihr dringend mitteilen, sonst schmeckt sie weiterhin nach Bolognese.«
Die Köchin tat, als echauffierte sie sich.
» Wenn Sie nicht der wären, der Sie sind, dann würde ich Ihnen für diese Bemerkung eine große Dosis Chili ins Essen tun. Nicht ausgeschlossen, dass ich es tatsächlich irgendwann mal tue.«
Das Lachen in ihren Augen und ihre Miene straften ihre Worte Lügen. Sie winkte mit dem Kochlöffel in Richtung Tür.
» Und jetzt verschwinden Sie, und lassen Sie die Leute arbeiten, wenn Sie nachher etwas essen wollen, ganz gleich, ob Bolognese oder Amatriciana.«
Der Pater gesellte sich zu Kortighan, der schmunzelnd neben dem Ausgang zum Hof stand und ihm die Tür aufhielt.
» Sehr amüsant. Ihr könntet einen Beruf daraus machen, du und Mrs. Carraro.«
» Das hat doch schon Shakespeare getan. Bolognese oder nicht Bolognese, das ist hier die Frage, erinnerst du dich?«
Das klangvolle Lachen seines Mitarbeiters folgte ihnen hinaus und verlor sich in der kühlen Luft. Sie gingen über den Hof, wo die Jugendlichen bereits in einem schäbigen Kleinbus auf sie warteten.
Pater McKean blieb stehen und blickte für einen Moment zum blauen Himmel hinauf. Trotz des fröhlichen Schlagabtauschs verspürte er ein plötzliches Unbehagen, das er nicht benennen konnte.
Als er in den Bus stieg und seine Schützlinge begrüßte, vertrieb die Freude über das Zusammensein diesen Gedanken, der ihn wie eine schlechte Nachricht überfallen hatte. Doch als
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