Ich Bin Gott
noch mehr einleitende Worte sagen sollte, dann beschloss er, dass das nicht nötig war.
» Ich möchte, dass in diesem Haus eine Einrichtung entsteht, in der Jugendliche mit Problemen, wie mein Neffe sie hatte, Hilfe und Zuflucht finden. Das ist natürlich nicht einfach, aber einen Versuch ist es wert. Natürlich bringt mir das Robin nicht zurück, das ist mir schon klar, aber vielleicht kann ich dann hin und wieder ohne Albträume schlafen.«
Lovito wandte sich ab. Sie wussten beide, wie illusorisch das war.
» Das ist letztlich ein Problem, mit dem ich selbst fertig werden muss.«
Der Rechtsanwalt machte eine Pause, nahm seine Sonnenbrille ab und baute sich vor McKean auf. In seinem Blick lag die Entschlossenheit eines Mannes, der keine Angst vor Worten und Taten hat.
Und auch nicht vor dem Eingeständnis von Schuld.
» Pater McKean, ich bin ein praktischer Mann. Unabhängig von meinen Beweggründen zählt letztlich nur das Ergebnis und das, was Bestand hat. Es ist mein Wunsch, dass diese Einrichtung nicht eine Idee bleibt, sondern Wirklichkeit wird. Und ich möchte, dass Sie die Sache in die Hand nehmen.«
» Ich? Warum ich?«
» Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen und bestätigt gefunden, was ich geahnt habe, als ich Sie mitten unter diesen jungen Leuten stehen sah. Abgesehen von ihren sonstigen Qualifikationen weiß ich, dass Sie einen großen Einfluss auf Jugendliche haben und sehr gut mit ihnen umgehen können.«
Der Geistliche sah ihn an, als hätte er schon die Zukunft vor Augen. Der Anwalt hatte gelernt, Menschen einzuschätzen, und begriff. Gemäß der Logik seines Berufs war es ihm ein Anliegen, jeglichem Einwand sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen.
» Für das Geld sorge hauptsächlich ich. Außerdem kann ich Ihnen staatliche Zuschüsse verschaffen.«
Er ließ einen kurzen Moment verstreichen.
» Falls es Sie interessiert, ich habe bereits mit der Erzdiözese gesprochen. Dort hat man keinerlei Bedenken. Sie können den Erzbischof gerne anrufen, wenn Sie mir nicht glauben.«
Nach einem langen Gespräch mit Kardinal Logan sagte Michael McKean zu, und das Abenteuer begann. Das Haus wurde renoviert und ein Fonds gegründet, um dem Joy eine monatliche Geldsumme zu garantieren, die einen Großteil der Ausgaben decken würde. Dank Anwalt Lovitos Einfluss hatte sich die Sache schnell herumgesprochen, und es kamen die ersten jungen Leute. Pater McKean erwartete sie.
Als er selbst nach einiger Zeit dazustieß, war alles schon perfekt auf den Weg gebracht. Obgleich Perfektion nicht von dieser Welt ist und das Joy nicht die Insel war, die von dieser Regel die Ausnahme machte.
Robins Mutter starb, vom Schmerz aufgezehrt, wenige Monate nach der Einweihung. Sie erlosch einfach wie ein am Strand vergessenes Feuer. Anwalt Lovito erlag im folgenden Jahr einem Herzinfarkt, weil er täglich vierzehn Stunden gearbeitet hatte, um endlich Herr über die gesamte Pyramide zu werden. Wie oft in solchen Fällen hinterließ er viel Geld und viel Habgier. Ein paar Verwandte tauchten aus dem Nebel des Desinteresses auf und fochten das Testament an, das eigentlich Lovitos ganzes Vermögen dem Joy vermachte. Die Anlässe für die Rechtsstreitigkeiten waren vielfältig, verfolgten jedoch alle denselben Zweck: den Klägern Zugriff auf das Geld zu verschaffen. Während man auf das Urteil wartete, wurden alle Zahlungen an die Einrichtung eingefroren. Das Überleben des Joy stand also in den Sternen. So bitter das war, sosehr lohnte es sich, dafür zu kämpfen.
Und das würden sie gemeinsam tun, er und Michael.
Für immer.
Fast ohne es zu merken, war er bis zum Zimmer des Paters im obersten Stockwerk hinaufgegangen. Er lauschte, ob jemand die Treppe heraufkam, öffnete die Tür dann mit der leisen Furcht dessen, der etwas Verbotenes tut, und trat ein. Das hatte er schon häufiger getan und verspürte nur eine leise Erregung dabei. Schuldgefühle, weil er die Privatsphäre eines Menschen verletzte, spürte er nicht. Er schloss die Tür hinter sich und ging ein paar vorsichtige Schritte in den Raum hinein. Seine Augen waren wie eine Filmkamera, die jedes Detail, jede Besonderheit, jede Farbe aufzeichnete. Er strich mit den Fingern über eine Bibel, die auf dem Schreibtisch lag, nahm einen Pullover, der über einen Stuhl geworfen war, und öffnete schließlich den Schrank. Michaels gesamte spärliche Garderobe hing auf den Bügeln vor ihm. Er betrachtete die Kleidungsstücke und sog den Geruch des Mannes ein, den
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