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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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merkwürdige dreibeinige Katze in die Kamera hielt. Sie fragte sich, woher das Tier diese Anomalie beziehungsweise Verstümmelung hatte, und sagte sich sogleich, dass sie es wahrscheinlich nie erfahren würde. Dann steckte sie alles in die Mappe, die zu dünn war, um als Akte durchzugehen, und lehnte sich zurück. Eigentlich müsste sie jetzt einen Bericht schreiben, doch im Augenblick hatte sie keine Lust dazu.
    Stattdessen stand sie auf und ging hinaus auf den Flur zum Kaffeeautomaten. Durch Betätigung der entsprechenden Tasten bestellte sie bei ihrem automatischen Barmann einen Kaffee mit Milch und ohne Zucker. Als der Becher vollgelaufen war, stand plötzlich Russell Wade neben ihr. Auf einen Kaffee schien er es nicht abgesehen zu haben.
    Vivien nahm den Becher und sah ihn an.
    » Sind Sie fertig bei Ihrem Folterknecht?«
    » Bei ihm ja. Jetzt wollte ich noch mit Ihnen sprechen.«
    » Mit mir? Worüber?«
    » Über den Mann auf dem Foto, das Sie auf Ihrem Schreibtisch liegen haben.«
    Vivien horchte auf. Ihre Erfahrung und vor allem ihre Intuition sagten ihr, wenn etwas im Busch war, und sie hatte sich bislang noch selten geirrt.
    » Und?«
    » Ich kannte ihn.«
    Vivien stellte fest, dass er die Vergangenheitsform benutzt hatte.
    » Sie wissen, dass er ermordet wurde?«
    » Ja, ich weiß es.«
    » Wenn Sie Informationen über diesen Mann haben, kann ich Sie an die Leute weitervermitteln, die sich mit dem Fall befassen.«
    Wade war verblüfft.
    » Da das Foto auf Ihrem Schreibtisch liegt, dachte ich, dass Sie den Fall bearbeiten.«
    » Nein. Das machen meine Kollegen in Brooklyn. Das Foto liegt nur zufällig auf meinem Schreibtisch.«
    Wade hielt eine Präzisierung seiner Bitte für angebracht.
    » Es geht mir nicht in erster Linie um den Mord an Ziggy. Mein eigentliches Anliegen ist viel wichtiger. Doch darüber möchte ich mit Ihnen und dem Verantwortlichen dieses Reviers unter vier Augen sprechen.«
    » Captain Bellew ist im Augenblick sehr beschäftigt, und glauben Sie mir bitte, dass ich das nicht sage, um Sie abzuwimmeln.«
    Wade schwieg einen Moment und sah ihr in die Augen. Vivien erinnerte sich daran, wie er im Auto an ihr vorbeigefahren war, an dem Tag, als er im Plaza übernachtet hatte. Sie dachte an die Einsamkeit und die Trauer, die sich auf sie übertragen hatte. Es gab keinen Grund, diesen Mann zu mögen, doch auch jetzt ließ sein unergründlicher Blick sie nicht kalt.
    Russell Wades ruhige Stimme drang an ihr Ohr.
    » Und wenn ich Ihnen sage, dass ich eine wichtige Spur zu der Person habe, die das Hochhaus in der Lower East Side hat hochgehen lassen, meinen Sie, dass Captain Bellew dann ein paar Minuten Zeit für mich fände?«

18
    Er saß auf einem Plastikstuhl in einem Wartezimmer im zweiten Stock des 13 . Reviers. Es war ein unpersönlicher Raum mit verblichenen Wänden, die Zeugen von gleichermaßen verblichenen Geschichten geworden waren. Doch seine Zeit war heute, und seine Geschichte gehörte in die Gegenwart. Die nur allzu oft schwer genug zu leben war.
    Er stand auf und trat ans Fenster, das zur Straße hinausging.
    Männer, Frauen, Autos bevölkerten diesen warmen, duftenden Frühlingstag mit seinem Wind und seinen frischen Blättern. Wie immer, wenn der Winter ausweglos, die Kälte eine alternativlose Tatsache und Grau die einzig mögliche Farbe zu sein schien, erfolgte die Wiedergeburt wie eine große Überraschung, um das Vertrauen nicht gänzlich zur Illusion werden zu lassen.
    Er schob die Hände in die Taschen und fühlte sich, im Guten wie im Bösen, als Teil dieser Welt.
    Nach der Entdeckung in Ziggys Wohnung und nachdem er entsetzt begriffen hatte, was auf dem Blatt Papier stand, das ihm Ziggy vor seinem Tod in die Hand gedrückt hatte, waren der Samstag und der Sonntag über langen, quälenden Grübeleien vergangen. Unterbrochen nur von den Fernsehnachrichten, der Lektüre der Zeitungen und den Erinnerungen an diesen Mann, der blutüberströmt in seinen Armen gestorben war.
    Schließlich hatte er eine Entscheidung getroffen.
    Er wusste nicht, ob sie richtig war, aber es war endlich einmal seine eigene gewesen.
    In dieser schwierigen und ungewissen Situation war ihm nur eines klar. Irgendetwas in seinem Leben ging zu Ende und irgendetwas Neues begann. Und er würde alles dafür tun, damit etwas Richtiges und Wichtiges daraus erwuchs. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass sich in dem Moment, da er sich vollkommen allein einer unermesslichen Verantwortung gegenübersah, der

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