Ich bin kein Berliner
einer brennenden Fackel in der Hand lief ich um den Platz und gab dabei mein inneres Ich preis. Die freundlichen Berliner Zuschauer verfolgten mein Spiel gebannt. Die Tatsache, dass ich noch nicht richtig Deutsch konnte, fiel nicht auf. Es war ja ein Bewegungstheater.
Manchmal dauerten unsere Vorstellungen mehrere Stunden ohne Pause. Die Berliner gingen einfach nicht nach Hause. »Hängt euch auf.«, riefen sie stattdessen, oder: »Geht doch arbeiten, ihr Flaschen!«
Manchmal flogen richtige Bierflaschen über unsere Köpfe. Seitdem sind mehr als zehn Jahre vergangen, trotzdem zittern meine Beine immer noch, wenn ich vom Theaterspielen träume.
TIPP:
Es gibt einige hundert Theater in Berlin. Das lauteste ist die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Dort sind über fünfhundert Leute fest angestellt, hinzukommen noch etliche Hilfskräfte, Praktikanten und durchziehende Gaukler. Das leiseste Theater befindet sich in der Eberswalder Straße und ist ein Tanztheater namens Die Halle.
Berliner Bildung
Bildung ist in einer demokratischen Gesellschaft eine Schwachstelle, weil man Kinder nicht foltern darf. Sie sind das höchste Gut, die Blumen des Lebens und dürfen auf keinen Fall unter Zwang geraten. Selbst dann nicht, wenn sie sich dumm anstellen oder Hausaufgaben prinzipiell verachten. Deswegen versucht die demokratische Gesellschaft, ihre Kinder mit Kartoffelchips, Kinovorführungen oder mit Hypnose zur Wissensannahme zu verführen. Davon werden die Kinder zwar frecher, etwas dicker, aber nicht wirklich gebildeter. Sogar die UNO macht sich schon Sorgen um Deutschland. Sie schickte einen Sonderbeauftragten aus Costa Rica, der vor Ort klären sollte, ob das deutsche Bildungssystem nicht das Menschenrecht auf gleiche Bildungschancen verletze. Diese Schmach hatte das Land der Pisa-Studie zu verdanken, bei der die deutschen Schüler traditionell schlecht abschneiden. Andere, weniger demokratische Staaten, die ihre Kinder foltern, schneiden bei Pisa-Studien traditionell besser ab. Was soll’s, andere Länder, andere Sitten, würde jeder Normaldeutsche dazu sagen. Aber nein, die Besserwisser aus Costa Rica wollen nicht, dass das so bleibt. Zum Glück hat sich die UNO noch keine Pisa-Tests für Erwachsene einfallen lassen, sonst wären die Blauhelme hier schon längst einmarschiert.
Ich als zweifacher Vater, der täglich mit dem deutschen Schulwesen zu tun hat, kann diese internationale Aufregung gut nachvollziehen. Ich wage schon lange nicht mehr, meine Kinder zu fragen, was sie heute gelernt haben. In der Grundschule machen sie sowieso hauptsächlich »Projekte«, und bei gutem Wetter hopsen sie auf dem Hof herum.
In unserem Bezirk gibt es drei Grundschulen zur Auswahl: die liberale fortgeschrittene Montessorischule, die unheimlich konservative katholische und die ganz normale deutsche demokratische. Bei den Montessoris, so hat man mir erzählt, wird nur dann gelernt, wenn die Kinder Lust auf Unterricht haben. Sie werden jeden Morgen von den Lehrern dazu befragt. Natürlich kommt es dabei auf die Betonung an. Wenn ein Lehrer selbst keine große Lust verspürt, sich mit einer komplizierten Materie auseinanderzusetzen, kann er immer sagen: »Na – heute Lust auf Mathe?« Wenn er es aber mit dem Unterrichten ernst meint, fragt er: »Na? Heute? Lust? Auf Mathe?«
Manchen konservativen Eltern scheinen solche Bildungsgrundlagen zu instabil. Ein Freund von mir entschied sich deswegen für den Hort des rechten Glaubens, die katholische Schule. Er lieh sich bei mir eine Videokamera aus, um die feierliche Einschulung seiner Tochter zu filmen, bekam dort aber ein Drehverbot, weil im Jahr zuvor ein Einschulungsvideo aus dieser Schule auf Kinderpornoseiten im Internet gelandet war. Wir haben uns für die ganz normale deutsche demokratische Grundschule entschieden, über die ich hier kein schlechtes Wort verlieren möchte. Diese Schule hat im Gegenteil Lob verdient. Sie hat alles, was die heranwachsende Generation zum Einstieg in die Erwachsenenwelt braucht – ein Tischtennis-Set, einen Kicker, einen Billardtisch und sämtliche gängigen Computerspiele. Nur ein Tresen fehlt noch und ein Flipperautomat. Doch alle wissen: Berlin hat für Bildung nur noch wenig Geld. Alles fließt in Christopher-Street-Day-Partys, weswegen immer mehr junge Erwachsene immer schlechter Flipper spielen können.
Die Schule macht meinen Kindern großen Spaß. Nebenbei haben sie auch noch lesen, schreiben, rechnen und etliches andere gelernt. Wie die
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