Ich bin kein Berliner
oder was das sein sollte, es war mir aber auch egal. Also bestellte ich die Chiemsee-Renke. Die Kollegen bauten ihre Kamera vor dem Tisch auf. Der Kellner kam mit dem Teller – es lag ein Fisch darauf.
»Hier, bitte schön, Chiemsee-Renke auf der Haut gebraten«, sagte er.
»Vielen Dank!«, sagte ich und nahm die Gabel in die Hand.
»Noch nicht essen!«, rief die Redakteurin. »Das Licht ist nicht gut. Wir müssen das wiederholen. Würden Sie dem Herrn den Teller noch einmal bringen?«
»Jawohl«, sagte der Kellner.
Die Chiemsee-Renke schwamm zurück in die Küche.
»Kamera läuft!«
»Bitte sehr, der Herr, hier die Chiemsee-Renke auf der Haut gebraten mit Salzkartoffeln und Knoblauch!«
»Vielen Dank, her damit!«, rief ich verzweifelt. Mir lief die Spucke im Mund zusammen.
»Die Akkus sind leer, wir müssen noch mal«, sagte Ulrike. »Nehmen Sie bitte den Fisch weg!«
Nachdem ich die Chiemsee-Renke fünfmal empfangen und gleich wieder verabschiedet hatte, merkte ich, dass ich mich nicht mehr richtig auf den Text konzentrieren konnte.
»Bitte sehr, hier ist die Chiemsee-Renke«, sagte der Kellner zum sechsten Mal.
Schweigend nahm ich ihm den Teller aus der Hand und aß den Fisch in Sekundenschnelle auf. Er war nicht mehr warm, schmeckte aber noch ganz gut, glaube ich. Die Kollegen hinter der Kamera vernichteten mich mit Blicken.
»Entschuldigung«, sagte ich, »ich konnte nicht anders. Es war ein Reflex. So. Jetzt können wir drehen, was war noch mal das Thema?«
Für den Rest der Sendung konzentrierten wir uns auf die Getränke. Die deutsche Küche ließ sich auch mit einem Glas guten deutschen Weins, deutschen Sekts und deutschen Kräuterlikörs erklären.
Danach fuhren wir in den Tiergarten, um ein paar Berliner beim sommerlichen Grillen zu erwischen. Ich war noch nie im Tiergarten, habe ihn aber schon oft im Fernsehen gesehen und hatte den Eindruck gewonnen, dort sei immer was los. Aber an dem Tag, als wir dort auftauchten, wirkte der Park wie ausgestorben. Vergeblich irrten wir über die Wiesen auf der Suche nach Grillern. Erst in der Nähe der Siegessäule fanden wir die ersten Menschen. Ein paar Dutzend Männer lagen dort im Gras, die meisten hatten kein Höschen an, beziehungsweise zogen sich aus, als sie uns mit der Kamera kommen sahen. Sie machten alle einen ziemlich entspannten Eindruck. Nur: Sie grillten nicht. Einige sahen unterernährt vegetarisch aus, so als würden sie schon seit Weihnachten hier liegen.
Wir machten ein paar Bilder von der Runde, für alle Fälle, und zogen weiter durch den Tiergarten auf der Jagd nach grillenden Berlinern. Vor dem Haus der Kulturen der Welt saß eine Gruppe Thailänder, die uns freundlich begrüßte, lächelnd ihre gegrillten Steaks mit großen Stäbchen aß und sich dabei filmen ließ. Später im Wald trafen wir noch auf einige türkische Mitbürger, die auf einer Wiese einen großen Grill aufgebaut hatten und auch gern gefilmt werden wollten. Sie stellten eine Großfamilienidylle dar. Die Frauen deckten den Klapptisch, die Männer standen am Feuer und drehten die Spieße, die Kinder spielten Fußball.
»Merkwürdig, dass die Türken auch in ihrer Freizeit grillen«, bemerkte der Kameramann.
Abschließend trafen wir sogar ein paar grillende Russen. Sie wollten nicht gefilmt werden und erklärten uns umständlich: »Die Frau neben mir ist nicht meine Frau. Und die andere Frau, die gerade Holz sammeln gegangen ist, ist die Frau von einem guten Freund, der aber heute nicht da ist. Und wenn meine Frau mich im Fernsehen mit einer anderen Frau sieht, dann wird es Ärger geben, verstehen Sie?«
Anderes Volk, andere Sitten dachten wir und packten unsere Technik ein. Im Großen und Ganzen hat mich der Grillplatz Tiergarten nicht wirklich beeindruckt.
Es gab dort viel zu wenig Qualm. Der größte Berliner Grillplatz befindet sich nämlich nicht im Westen, sondern direkt vor meinem Fenster an der Grenze zwischen Wedding und Prenzlauer Berg. Eigentlich leben wir hier in einer paradiesischen Landschaft, dort, wo früher die Mauer verlief. Heute ist an Stelle des ehemaligen Todesstreifens eine Parkanlage mit mehreren Kinderspielplätzen entstanden. Es gibt also viel Grün vor unserem Haus. Wenn das Wetter gut ist, öffne ich alle Fenster, dann riecht es in der ganzen Wohnung – aber nicht nach Blumen, sondern nach Grillwurst. Der Platz vor unserem Haus ist nämlich ein besonderer Ort. Dort stehen Erlaubt-Schilder – ein Unikum in Deutschland. In der Regel
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