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Ich bin kein Berliner

Ich bin kein Berliner

Titel: Ich bin kein Berliner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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Tag« und »Wir befinden uns in Hoppegarten« – das interessierte doch niemanden. Am besten fing ich gleich mit »jetzt« an.
    Die zweite Runde ging los. Ich sagte: »Jetzt …«
    »Uwe, du Arsch, gib Gas, du Pissnelke«, rief ein neben mir stehender Rennbahnbesucher. Zwei Hunde bellten ihn daraufhin laut an.
    »Jetzt …«, sagte ich noch einmal, es war aber schon zu spät. Alle rannten zu den Kassen, wir hinterher.
    »Irgendwas machen wir hier falsch«, meinte der Kameramann.
    Alle wurden nachdenklich.
    »Wir haben die Situation unterschätzt. Wir müssen uns nach den hiesigen Abläufen richten«, meinte Ulrike.
    Sorgfältig bereiteten wir uns auf das dritte Rennen vor. In der Menge erkannte ich plötzlich meine alten Freunde – die Familie König. Wir umarmten uns.
    »Was meinst du, Peter, wer als Nächstes gewinnen wird?«, fragte ich.
    »Das ist eine ganz klare Sache«, meinte Peter, »Go-Go-Boy wird gewinnen. Ein gutes Pferd, ein erfahrener Jockey. Aber ich wette nicht auf Favoriten, die Quoten sind zu niedrig.«
    Ich ging zur Kasse und setzte zehn Euro auf den Sieg von Go-Go-Boy. Außer mir wollte keiner aus unserem Team Wetten abschließen, sie misstrauten meinem Tipp. Das Rennen begann. Ich suchte mir einen Platz in der Menge ohne Hunde und durchgeknallte Fans.
    »Jährlich werden in Hoppegarten über vier Millionen Euro verwettet. Einige gehen mit leeren Taschen nach Hause, doch die meisten werden, wie Sie gleich sehen werden, steinreich«, schaffte ich gerade zu sagen, da rauschte auch schon die Pferdestaffel an uns vorbei. Go-Go-Boy kam als Erster durchs Ziel. Ich rannte zur Kasse.
    »Wir müssen wiederholen, du hast dich verhaspelt«, meinte Ulrike.
    »Gern«, sagte ich und ging zum Ehepaar König, um einen neuen Tipp zu bekommen.
    »Ein Kinderspiel«, seufzte Peter, »Highpoint wird die nächste Runde gewinnen. Ein starkes Pferd, ein erfahrener Jockey. Doch die Quote ist immer noch zu niedrig.«
    Ich setzte alles, was ich hatte, auf Highpoint und ging zu meinem Team zurück. Alle machten sich über mich lustig. Das vierte Rennen begann.
    »Wir befinden uns in Hoppegarten vor den Toren Berlins«, sagte ich in die Kamera und beobachtete gleichzeitig, wie mein Highpoint von irgendeinem blöden Pferd überholt wurde.
    »Scheiße!«, rief ein bulliger Mann neben mir, der wahrscheinlich auch auf Highpoint gesetzt hatte.
    »Wir befinden uns also im Poppegarten«, murmelte ich nervös weiter, während Highpoint plötzlich seinen Lauf änderte und es auf den letzten hundert Metern schaffte, sich nach vorne zu drängen. Der bullige Mann und ich riefen »Hurra!« – und rannten zur Kasse. Das Kamerateam blieb fassungslos an der Rennbahn zurück. Auf dem Rückweg besuchte ich erneut das Ehepaar König in ihrer VIP-Loge.
    »Jetzt wird es richtig interessant«, erzählte Peter. »Alle Pferde in der nächsten Runde sind gleich schlecht, alle Jockeys gleich unerfahren, aber einer muss ja trotzdem gewinnen. Ich glaube, dass die Nummer sechs gute Chancen hat. Ja, ich glaube, die wird es machen. Die Nummer sechs. Oder die sieben«, fügte er nach einer Pause hinzu. »Die Quoten sind bei beiden sehr hoch.« Ich ging zu meinem Kamerateam zurück. Die Kollegen wirkten inzwischen ziemlich aufgeregt.
    »Was hat dein Freund gesagt?«, fragten sie mich.
    »Die Nummer sechs, hat er gesagt, oder die Nummer sieben«, berichtete ich.
    Wir rannten zur Wettannahmestelle. Der Tonmann setzte auf sieben, die Redakteurin auf sechs, der Kameramann auf beide.
    »Wollen wir nicht noch irgendwas drehen?«, fragte ich.
    »Später, später, ein andermal«, meinten die Kollegen.
    Die Pferde rauschten wieder an uns vorbei. Es war das letzte Sonntagsrennen, und mit Erstaunen schaute ich auf die Uhr und stellte fest, dass wir schon über fünf Stunden auf der Rennbahn waren. Weder Nummer sieben noch Nummer sechs gewann diese Runde. Peter schüttelte den Kopf und meinte, selbst Götter könnten sich irren.
    Manchmal macht das Fernsehen richtig Spaß, dachte ich auf dem Weg nach Hause und zählte meine Verluste. Mit dem Zwei-Minuten-Material, das wir trotz der schweren Arbeitsbedingungen in Hoppegarten gedreht hatten, konnte unsere überaus begabte Redakteurin dann sogar noch eine tolle Sendung zurechtschneiden.
    TIPP:
    Wenn Sie lieber auf Traber setzen wollen, haben Sie die Wahl zwischen der Trabrennbahn in Karlshorst (Ost) und der in Mariendorf (West). Wer aber wirklich bereit ist, etwas zu riskieren, sollte sich zu den Kakerlakenrennen beim

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