Ich bin kein Berliner
Vielleicht gehe ich dort aber nur in die falschen Kneipen. Bei uns in Berlin ist die Männermode wesentlich durch die vielen Secondhand- und Humana-Läden beeinflusst, der Berliner zieht auch gern mehrere Sachen übereinander an, die Farbe spielt dabei keine Rolle, wichtig ist allein, dass alle Schichten zu sehen sind. Dazu gehört noch ein großer Rucksack und Furcht erregendes Schuhwerk. Viele sehen daher aus wie Skiläufer oder Bergsteiger, obwohl es in Berlin eigentlich gar keine Berge gibt.
TIPP:
Der Märchenbrunnen am ersten proletarischen Volkspark Berlins in Friedrichshain hat sich inzwischen zu einer Anlaufstelle für Schwule entwickelt, die schon immer tonangebend in Sachen Männermode waren. Im Neuköllner Von-der-Schulenburg-Park hat der Westen zwar ebenfalls einen Märchenbrunnen, dort treffen sich jedoch vor allem heterosexuelle Jungtürken, die modisch ganz anders drauf sind.
Berliner Hoppegarten
Als Fernsehfuzzi im Dienste des ZDF lernte ich die Stadt immer besser kennen und machte viele wichtige Erfahrungen. So begriff ich zum Beispiel, dass eine gute Fernsehsendung nicht unbedingt spannende Geschichten braucht, umso mehr aber starke Bilder. Der Moderator erzählt dann nur das, was jeder auch ohne seine Hilfe auf dem Bildschirm sehen kann. In einer der ersten Sendungen stand ich zum Beispiel vor dem Elefantengehege im Tierpark und sagte: »Wir befinden uns vor dem Elefantengehege im Tierpark, hier laufen lauter Elefanten herum, wie Sie ja selbst sehen können.« Dabei brachte ich ständig die Namen und Geschlechter der Elefanten durcheinander. Trotz der scheinbaren Oberflächlichkeit machte dieser Job Spaß.
Im Laufe des Jahres wurde es jedoch immer schwerer, ungewöhnliche Plätze mit einer ausgeprägten Bildhaftigkeit zu finden. Überall hatten wir schon gedreht: in der Alt-Cowboy-Stadt in Spandau, in der Unkenpfuhle von Marzahn und in der tadschikischen Teestube in Mitte. Anfang April rief mich die verantwortliche Redakteurin an. »Warst du schon auf der Galopprennbahn in Hoppegarten?«, fragte sie. »Die neue Rennsaison hat begonnen. Am kommenden Wochenende wird dort der große Preis von Dahlwitz vergeben.«
Von dieser Rennbahn hatten mir meine Freunde Traute und Peter König bereits viel erzählt. Sie interessierten sich schon seit zwei Jahrzehnten für Pferderennen und hatten schon mehrere Bücher über Pferde und ihre Jockeys geschrieben. Sogar ein Computerprogramm hatten sie entworfen, mit dem man jedes Rennen voraussagen konnte. Jahr für Jahr hatten sie dafür Informationen von allen Rennbahnen Deutschlands gesammelt und damit ihren Familien-Computer gefüttert, der diese Informationen auswerten und ihnen todsichere Tipps geben sollte. Doch als sie kurz davor standen, steinreich zu werden, kam die Wende und mit ihr hunderte neuer Pferde und Jockeys aus dem Osten, die das Computerprogramm völlig durcheinanderbrachten. Trotzdem blieb die Familie König ihrem Hobby treu und verpasste kein Rennen.
»Am Sonntag wird in Hoppegarten ein nationales Listenrennen stattfinden, was immer das auch ist«, meinte meine Redakteurin Ulrike. »Eine Drehgenehmigung haben wir bereits, es wird bestimmt lustig.«
Am Sonntagvormittag fuhren wir los.
Bevor das Rennen begann, wurden die Pferde und die Jockeys vorgeführt, damit das Publikum sie aus der Nähe beurteilen konnte.
»Wunderbar«, sagte Ulrike, »hier können wir die erste Einstellung drehen.«
Unser Kameramann baute die Kamera auf, guckte hinein und stellte fest, dass sie in die falsche Richtung zielte – man sah von den Pferden nur die Hinterteile.
»Moment mal«, sagte er, »ich muss kurz umdisponieren.« Als er damit fertig war, waren die Pferde weg, und die Nächsten sollten erst in einer Stunde vorgeführt werden.
Das nationale Listenrennen begann. Wir rannten schnell an die Bahn und bauten dort die Kamera auf. Ich stellte mich an den Zaun und sagte: »Guten Tag, wir befinden uns hier in Hoppegarten, und jetzt sehen Sie …«
Schwupps, rauschten die Pferde in Sekundenschnelle an uns vorbei. Die Menschenmenge am Zaun jubelte und rannte zu den Kassen, um die Gewinne zu kassieren. Einige Verlierer blieben am Zaun stehen und nippelten nachdenklich an ihren Bierflaschen. Wir bauten die Kamera blitzschnell wieder ab und rannten der Menschenmenge hinterher, um sie beim Abkassieren zu erwischen. Die Leute waren aber inzwischen schon alle wieder zurückgerannt – zum zweiten Rennen.
Ich muss meinen Text reduzieren, überlegte ich: »Guten
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