Ich bin Legende
sich auf die Seite. Schlaf!, befahl er sich rein automatisch. Aber er wusste, dass er nicht würde schlafen können. In der Finsternis lauschte er dem Winseln des Hundes. Er stirbt, dachte er immer wieder. Er stirbt, und es gibt absolut nichts, was ich dagegen tun könnte.
Schließlich hielt er es ganz einfach nicht mehr aus, das Winseln weiter anzuhören. Er knipste die Nachttischlampe an. Als er in Socken durch das Zimmer ging, hörte er, wie der Hund aus der Decke zu springen versuchte, aber er verhedderte sich darin und begann panikerfüllt zu jaulen, während er unter der Decke wild herumzappelte.
Neville kniete sich neben ihn und legte die Hand auf seinen Rücken. Er hörte sein würgendes Knurren und das gedämpfte Klacken seiner Zähne, als er durch das dicke Gewebe nach ihm zu schnappen versuchte.
»Schon gut«, sagte er. »Beruhig dich endlich!«
Aber der Hund wehrte sich weiter. Er winselte ohne Unterlass, und sein dürrer Körper bebte. Neville drückte die Hand fester auf ihn und redete ruhig und sanft auf ihn ein.
»Ist schon gut, mein Junge, ist schon gut. Niemand tut dir was. Beruhige dich jetzt. Komm, komm, entspann dich! Komm, sei vernünftig. Kleiner. So ist’s gut. Entspann dich! So ist’s richtig. Beruhige dich! Niemand tut dir was. Ich kümmere mich schon um dich.«
Fast eine Stunde lang redete er ununterbrochen auf ihn ein. In der Stille des Zimmers klang seine Stimme beschwörend, hypnotisch. Und allmählich, zögernd, zitterte das Tier immer weniger. Ein schwaches Lächeln überzog Nevilles Züge, während er weiterredete.
»So ist’s gut. Alles ist gut. Nur ruhig, Kleiner.«
Bald verhielt das Tier sich unter seinen starken Händen ganz still, nur seine Brust hob und senkte sich heftig. Neville tätschelte sanft seinen Kopf und streichelte schließlich zärtlich seinen Rücken.
»Na, so ein lieber Hund«, sagte er weich. »Ganz ein lieber Hund! Ich bin jetzt ganz für dich da. Niemand wird dir was tun! Verstehst du, Kleiner? Natürlich verstehst du! Du bist jetzt mein Hund, nicht wahr?«
Er rutschte auf dem kühlen Linoleum näher und streichelte den Hund weiter.
»Du bist ein guter Hund, ein lieber Hund.«
Seine Stimme war ruhig - und resigniert.
Nach etwa einer Stunde hob er den Hund hoch. Einen kurzen Augenblick wehrte er sich und begann zu winseln, aber Neville redete wieder sanft auf ihn ein, und das Tier beruhigte sich schnell.
Er setzte sich auf das Bett und hielt den in die Decke eingewickelten Hund auf seinem Schoß. Stundenlang saß er so, tätschelte und streichelte ihn und redete ihm zu. Der Hund verhielt sich nun völlig ruhig und atmete auch leichter.
Etwa um elf Uhr schlug Neville vorsichtig die Decke zurück, sodass der Kopf des Hundes herausschaute.
Ein paar Minuten lang zappelte er und schnappte nicht sehr überzeugend nach Neville, aber der sprach weiter beruhigend auf ihn ein, und nach einer Weile glitt seine Hand zum Hals des Tieres und kraulte ihn zärtlich.
Schluckend lächelte er zu dem Hund hinunter.
»Bald wird es dir wieder besser gehen«, flüsterte er. »Ganz bald.«
Der Hund schaute mit seinen stumpfen kranken Augen zu ihm auf, dann leckte er ihm mit rauer feuchter Zunge die Hand.
Ein Schluchzen quoll aus Nevilles Kehle. Stumm hielt er das Tier auf dem Schoß und streichelte es, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Eine Woche später lebte der Hund nicht mehr.
14
Diesmal suchte er kein Vergessen im Trinken. Im Gegenteil, er stellte fest, dass er weniger als früher trank. Etwas hatte sich geändert. Er versuchte es zu analysieren und kam zu dem Ergebnis, dass sein letztes Besäufnis ihn bis zum absoluten Tiefstpunkt frustrierter Verzweiflung geführt hatte. Wenn er sich jetzt nicht selbst unter die Erde bringen wollte, konnte es nur noch aufwärtsgehen.
Nach den ersten Wochen, da er alle Hoffnung auf den Hund gesetzt hatte, war es ihm allmählich klar geworden, dass diese Art von Hoffnung keine Antwort auf sein Problem sein konnte, es auch nie gewesen war. In einer Welt monotonen Grauens konnte es keine Rettung in Träumen geben. An das Grauen hatte er sich gewöhnt. Schlimmer war die Eintönigkeit, und nun wurde ihm bewusst, dass sie seine schlimmste Qual gewesen war. Diese Erkenntnis verlieh ihm eine Art inneren Frieden - als hätte er alle Karten auf den Tisch gelegt und sich für ein Spiel entschieden.
Den Hund zu beerdigen war nicht so gramvoll, wie er befürchtet hatte, vielleicht weil ihm klar geworden war, dass er
Weitere Kostenlose Bücher