Ich bin Legende
Rachen.
Eine eisige Hand krampfte sich um Nevilles Herz. Die Augen des Hundes waren stumpf und er hechelte mit hängender dunkler Zunge.
»Nein!«, flüsterte Neville. »O nein!«
Der Hund schleppte sich rückwärts auf zitternden Beinen über den Rasen. Schnell setzte Neville sich auf die Veranda, seine Beine waren wie aus Gummi. O nein!, dachte er angstvoll. O nein, Gott, nein!
Der Hund kam schwankend wieder näher und schlabberte Wasser. Nein, nein! Es darf ganz einfach nicht sein!
»Nein, es darf nicht sein!«, murmelte er schließlich, ohne dass es ihm bewusst wurde. Unwillkürlich streckte er die Hand aus. Der Hund wich zurück und fletschte knurrend die Zähne.
»Ist schon gut, mein Junge«, sagte Neville leise. »Ich tu dir ganz bestimmt nichts.« Er wusste nicht einmal, was er sagte.
Er konnte den Hund nicht aufhalten, aber er versuchte ihm zu folgen. Doch das Tier war verschwunden, ehe er sehen konnte, wo es sich verkrochen hatte. Vermutlich irgendwo unter einem Haus, aber das brachte ihm den Hund auch nicht näher.
In dieser Nacht konnte er nicht schlafen. Ruhelos stapfte er durch die Zimmer und trank Tasse um Tasse Kaffee und fluchte, weil die Zeit nicht vergehen wollte. Er musste den Hund ins Haus bekommen, er musste! Und zwar so schnell wie möglich. Und er musste ihn gesund pflegen!
Aber wie konnte er ihn heilen? Er schluckte. Es musste ganz einfach eine Möglichkeit geben! Auch wenn er nicht viel davon verstand, er musste es schaffen!
Am nächsten Morgen setzte er sich direkt neben den Futternapf. Er spürte, wie seine Lippen zitterten, als er den Hund kommen sah, und bemerkte, wie er sich über die Straße schleppte.
Er fraß nichts. Seine Augen waren noch stumpfer als am Tag zuvor. Neville wäre am liebsten aufgesprungen, um nach ihm zu greifen und ihn ins Haus zu bringen.
Aber er wusste, wenn er ihn nicht gleich richtig zu fassen bekam, würde er alles verderben - der Hund würde vermutlich nie wiederkommen.
Der Hund schlabberte ein wenig Wasser, dann wandte er sich doch dem Futter zu. Und die ganze Zeit zuckte Nevilles Hand im Verlangen, den Kopf des Tieres zu tätscheln. Ein paarmal streckte er sie sogar aus, doch dann wich der Hund knurrend zurück. Dann versuchte er es mit Strenge. »Friss weiter, ich tu dir doch nichts!«, sagte er mit scharfer Stimme. Aber das erschreckte den Hund nur noch mehr und er wich weiter zurück. Fünfzehn Minuten lang musste Neville sanft auf ihn einreden - seine Stimme war ganz heiser und zitternd -, bis der Hund sich wenigstens wieder ans Wasser heranwagte.
Diesmal gelang es ihm, den schwerfällig humpelnden Hund zu verfolgen und zu sehen, unter welchem Haus er sich verkroch. Er hätte ein Gitter über das Loch legen können, aber er tat es doch nicht. Er wollte den Hund ja nicht verschrecken. Außerdem hätte er dann nur durch den Fußboden an den Hund herangekonnt, und den aufzureißen hätte viel zu lange gedauert und den Hund noch mehr verstört. Nein, er musste das Tier möglichst schnell erwischen.
Als es an diesem Nachmittag nicht zurückkam, stellte er ein Schüsselchen Milch in das Loch unter dem Haus. Am nächsten Morgen war es leer. Er wollte es auffüllen, als ihm klar wurde, dass der Hund dann das Loch vielleicht überhaupt nicht mehr verlassen würde. Also stellte er die Milchschale wieder auf die Veranda. Er konnte nur hoffen, dass der Hund noch Kraft genug hatte, sich so weit zu schleppen. Er machte sich nicht im Geringsten über sich selbst lustig, als er flehentlich betete.
Da der Hund am Nachmittag nicht kam, kehrte er zu dem Loch zurück und schaute hinein. Dann stapfte er unruhig davor hin und her und hätte fast doch die Milch ins Loch gestellt. Nur die Überzeugung, dass der Hund dann nie wieder herausgekommen wäre, hielt ihn schließlich doch davon ab.
Er kehrte nach Hause zurück und verbrachte eine weitere schlaflose Nacht. Auch am Morgen kam der Hund nicht. Erneut ging er zu dem Loch. Er lauschte, konnte aber das Tier nicht atmen hören, auch sonst verursachte es keinen Laut, es lag entweder zu weit von der Öffnung entfernt, als dass er es hätte hören können, oder ...
Er ging nach Hause zurück und setzte sich auf die Veranda. Er frühstückte weder noch aß er etwas zu Mittag. Er saß nur den ganzen Tag unbewegt da.
Spät am Nachmittag humpelte der Hund zwischen den Häusern hervor und kam nur ganz langsam auf den wackligen dürren Beinen vorwärts. Neville musste sich zwingen, reglos sitzen zu bleiben, bis der
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