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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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damit auch seine falschen Hoffnungen und Selbsttäuschungen begrub. Von dem Tag an lernte er sich mit dem Verlies, in dem er gefangen war, abzufinden und keine wilden Versuche, ihm zu entfliehen, mehr zu unternehmen oder seinen Schädel an den Wänden blutig zu schlagen.
    Resigniert und doch zugleich auch zuversichtlich kehrte er wieder zu seiner Arbeit zurück. Es lag nun schon fast ein Jahr zurück; wenige Tage, nachdem er Virginia zum zweiten Mal und diesmal endgültig zur Ruhe gebettet hatte, war es gewesen.
    Ausgemergelt und hoffnungslos, völlig verloren, war er spät am Nachmittag durch die Straßen gewandert, die Hände hingen schlaff an seinen Seiten, und seine Füße schlurften schwer in seiner Verzweiflung über das Pflaster. Sein Gesicht jedoch verriet nichts von seiner hilflosen Qual - es war leer.
    Stundenlang hatte er sich durch die Straßen geschleppt, ohne Ziel vor Augen, ohne Interesse, wo er sich befand. Er wusste nur, dass er nicht in die leeren Räume seines Hauses zurückkehren, nicht die Dinge ansehen konnte, die sie berührt oder getragen oder mit ihm geteilt hatten. Kathys leeres Bett zu sehen wäre unerträglich für ihn gewesen, genau wie all ihre Sachen, die jetzt nutzlos im Schrank hingen. Genauso wenig wäre er imstande gewesen, das Bett, in dem Virginia mit ihm geschlafen hatte, auch nur anzuschauen, oder Virginias Kleider, ihren Schmuck, ihre Kosmetika im Badezimmer. Nein, er konnte jetzt unmöglich ins Haus zurückkehren.
    Und so stapfte er ruhelos durch die Straßen und wusste nicht, wo er war, als die Menschen sich plötzlich scharenweise an ihm vorbeidrängten und ein Mann nach seinem Arm griff und seinen Knoblauchatem ins Gesicht blies.
    »Komm, Bruder, komm!«, hatte der Mann mit raspelnder Stimme gesagt. Er hatte gesehen, wie der Hals des Mannes sich faltig wie der eines Truthahns bewegt hatte, er hatte seine rotfleckigen Wangen gesehen, seine fiebrigen Augen, den schwarzen schmutzigen Anzug, der lange schon kein Bügeleisen mehr gespürt hatte. »Komm, lass dich retten, Bruder! Retten! «
    Robert Neville starrte den Mann an. Er verstand ihn nicht. Der Mann krallte die knochigen Finger in Nevilles Arm und zog ihn mit sich.
    »Es ist nie zu spät, Bruder«, sagte er. »Der findet das Seelenheil, der ...«
    Die letzten Worte gingen in dem immer lauteren Murmeln unter, das aus dem Zelt kam, dem sie sich näherten. Es hörte sich an, als hätte man das Meer eingesperrt, das sich nun zu befreien suchte. Robert Neville bemühte sich, dem anderen seinen Arm zu entreißen.
    »Ich will nicht ...«
    Der Mann hörte gar nicht auf ihn. Er zerrte Neville mit sich auf den Wasserfall aus schreienden Stimmen und stampfenden Füßen zu. Sosehr Neville sich auch wehrte, der Mann ließ nicht los. Er kam sich vor, als schleppe man ihn in eine Sturzflut.
    »Aber ich will nicht ...«
    Schon hatte das Zelt ihn verschluckt, ihn der Ozean aus Gebrüll, Gestampfe und Händeklatschen verschlungen. Unwillkürlich zuckte er zusammen und spürte, wie sein Herz hämmerte. Er war nun dicht von Menschen umgeben - von Hunderten, und ihm war, als überschwemmte diese Menge ihn. Und sie brüllte und klatschte und schrie Worte, die Robert Neville nicht verstehen konnte.
    Dann wurde es plötzlich fast still. Er hörte eine Stimme, die wie die des Jüngsten Gerichts durch das Halbdunkel schnitt - nur dass sie durch das Lautsprechersystem ein wenig zu sehr knisterte und zu schrill klang.
    »Wollt ihr euch vor Gottes heiligem Kreuz fürchten müssen? Wollt ihr in einen Spiegel blicken und nicht das Gesicht sehen, das der Allmächtige euch gab? Wollt ihr wie ein Ungeheuer zurück aus dem Grab kriechen?«
    Die Stimme klang nun heiser, aufpeitschend.
    »Wollt ihr in ein finsteres, unheiliges Tier verwandelt werden? Wollt ihr den Nachthimmel mit der Hölle entsprungenen Fledermausflügeln besudeln? Ich frage euch: Wollt ihr in gottlose, nachtverfluchte Untote verwandelt werden, in Kreaturen ewiger Verdammnis?«
    »Nein!«, brüllte die Menge schreckerfüllt. »Nein, erlöse uns!«
    Robert Neville versuchte sich rückwärtsgehend einen Weg zum Ausgang zu bahnen. Aber es war schwierig bei all diesen Gläubigen mit den weißen, entsetzenerfüllten Gesichtern, die die Hände hochstreckten und den Himmel anflehten, sie zu retten.
    »Hört auf mich! Hört auf das Wort Gottes! Wisset, dass das Böse sich von Nation zu Nation verbreitet, und die Untoten von einem Ende der Erde zum anderen ihr Unwesen treiben werden. Ihr wisst,

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