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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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für ihre Seelen gestorben, mit einer tödlichen Angst, die mit dem Blut durch ihre Adern floss.
    Und dann, dachte Robert Neville, war das, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatten, trotz aller Gebete und Kasteiungen, auch für sie wahr geworden. Unter der heißen schweren Erde des Grabes hatten sie das Bewusstsein wiedererlangt und erkennen müssen, dass der Tod ihnen nicht die ewige Ruhe geschenkt hatte. Wie die anderen hatten sie sich aus der Erde scharren müssen, getrieben durch das grauenvolle Verlangen ihrer Körper.
    Solche Traumata konnten das bisschen Geist, das noch vorhanden war, in den Wahnsinn treiben.
    Das Kreuz würde sie am meisten beschäftigen.
    Als Lebende hatte man ihnen eingehämmert, dass Vampire den Anblick des Kreuzes nicht ertrugen. Die Erinnerung daran war vielleicht gerade für jene, die - zumindest in den letzten Tagen - das Kreuz als Symbol der Erlösung gesehen hatten, unerträglich, und ihr Verstand setzte aus. Tatsächlich erwachte die Furcht vor dem Kreuz in ihnen. Trotz aller Ängste angetrieben, mochte der Vampir einen ungeheuren geistigen Ekel entwickeln. Dieser Eigenhass wiederum hatte möglicherweise eine Sperre in seinem ohnedies geschwächten Geist errichtet, die ihn seinem eigenen verabscheuten Bild gegenüber blind machte. Es konnte sie, die ihre Seele verloren glaubten, auch zu einsamen Sklaven der Nacht machen, die Angst hatten, sich jemandem zu nähern, die einsam dahinvegetierten und manchmal in ihrer Heimaterde Trost suchten und sich bemühten, ein Gefühl von Verbundenheit mit etwas, mit irgendetwas, zu gewinnen.
    Das Wasser?
    Die Annahme, dass fließendes Wasser Vampire zurückhalten konnte, hielt Neville allerdings für reinen Aberglauben. Er rührte vielleicht von den alten Geschichten her - wie der von Tom O’Shanter -, dass Hexen fließendes Wasser nicht überqueren konnten. Hexen, Vampire, überhaupt alle Kreaturen der Finsternis hingen irgendwie miteinander zusammen. Sagen und Aberglauben mochten sehr wohl ineinander übergreifen.
    Und die lebenden Vampire?
    Auch das war jetzt einfach zu beantworten. Im normalen Leben waren sie die Unzurechnungsfähigen, die mit Gehirnschäden. Vampirismus war etwas, woran sie sich klammern, an dem sie Halt finden konnten. Neville war jetzt sicher, dass all die Lebenden, die des Nachts sein Haus belagerten, Geistesgestörte waren, die sich selbst für Vampire hielten, obgleich sie lediglich kranke Wahnsinnige waren. Das erklärte vielleicht auch die Tatsache, dass sie das Naheliegendste unterlassen hatten, nämlich zu versuchen, sein Haus niederzubrennen. So logisch zu denken, dazu waren sie einfach nicht imstande.
    Er erinnerte sich jetzt auch an den Mann, der eines Nachts den Mast der Straßenbeleuchtung vor seinem Haus hochgeklettert war, während er ihn durch das Guckloch beobachtet hatte. Mit den Händen flatternd um sich schlagend, war der Bursche in die Luft gesprungen. Das hatte Neville sich seinerzeit nicht erklären können, doch jetzt erschien ihm die Antwort offensichtlich. Der Mann hatte sich eingebildet, eine Fledermaus zu sein.
    Neville blickte mit dünnem Lächeln auf das noch halb volle Glas.
    Also, dachte er, langsam, aber sicher kommt die Wahrheit über sie ans Tageslicht, stellt sich heraus, dass sie keine unschlagbare Rasse sind. Ganz im Gegenteil, sie sind ungemein verwundbar, da sie für ihre gottverlassene Existenz auf ganz bestimmte physische Bedingungen angewiesen sind.
    Er stellte das Glas auf den Tisch.
    Ich brauche den Drink nicht, dachte er. Ich muss meine Gefühle nicht künstlich stärken. Ich brauche den Alkohol auch nicht mehr, um zu vergessen oder der Wirklichkeit zu entfliehen. Zumindest jetzt habe ich nichts, dem ich entfliehen möchte.
    Zum ersten Mal, seit der Hund nicht mehr lebte, lächelte er und empfand eine stille beruhigende Zufriedenheit. Er musste noch viel erforschen und lernen, aber nicht mehr so viel wie zuvor. Seltsam, das Leben wurde fast erträglich. Ich schlüpfe wieder aus der Kutte des Einsiedlers, dachte er.
    Aus dem Lautsprecher des Plattenspielers drang sanfte Musik.
    Draußen warteten die Vampire.

DRITTER TEIL
    Juni 1978

15
    Er machte Jagd auf Cortman. Es war inzwischen zu einem entspannenden Hobby geworden, Cortman aufzuspüren - eine der wenigen Ablenkungen, die ihm geblieben waren. An Tagen, da er sich nicht allzu weit aus der Nachbarschaft entfernen wollte und es keine dringende Arbeit am oder im Haus gab, beschäftigte er sich mit der Suche nach Cortman.

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