Ich bin Legende
das whiskyvermischte Blut, das von seiner Hand tropfte.
Davon hätten sie wohl gern?, dachte er. Er taumelte hoch und hätte fast die Tür geöffnet, um vor ihren Augen mit der blutigen Hand herumzufuchteln und sie heulen zu hören.
Dann schloss er die Lider und erschauerte. Sei vernünftig, Junge!, mahnte er sich. Verbind deine verdammte Hand!
Er torkelte ins Badezimmer, wusch vorsichtig die Hand und zuckte zusammen, als er Jod auf die Schnittwunden träufelte. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, während er etwas unbeholfen einen Verband anlegte. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Ich brauche eine Zigarette, dachte er.
Im Wohnzimmer wechselte er von Brahms zu Bernstein über und zündete sich eine Zigarette an. Was werde ich tun, wenn die Sargnägel einmal ausgehen?, fragte er sich und betrachtete die blauen Rauchringe. Aber das brauchte er kaum zu befürchten. Er hatte mindestens tausend Stangen im Schrank in Kathys Zimmer ...
Zähneknirschen. Im Schrank der Speisekammer, der Speisekammer, der SPEISEKAMMER!
Kathys Zimmer.
Stumpf starrte er auf die Fototapete, während The Age of Anxiety in seinen Ohren pochte. Das Zeitalter des Bangens, dachte er. Leonard - Lenny, Junge, du hast geglaubt, Bangnis zu kennen. Lenny und Benny, ihr solltet euch kennenlernen. Komponist trifft Leiche. Mama, wenn ich groß bin, will ich ein Vampir wie Papa werden! Aber gewiss doch, Herzblatt!
Der Whisky gluckerte ins Glas. Neville verzog das Gesicht, weil die Hand schmerzte, und nahm die Flasche in die Linke.
Er setzte sich wieder und nippte. Mögen die gezackten Kanten der Nüchternheit stumpf werden, dachte er. Möge die klare Sicht sich verschleiern - aber schnell. Ich hasse sie!
Allmählich drehte sich das Zimmer um seine Achse und schaukelte um seinen Sessel. Ein wohltuender Schleier, ein wenig dichter an den Rändern, schob sich vor seine Augen. Er stierte auf das Glas, auf den Plattenspieler. Seinen Kopf ließ er einmal rechts, einmal links auf die Schulter plumpsen. Draußen trieben sie sich ums Haus herum, murmelten und warteten.
Arme kleine Vampire, dachte er, arme kleine Burschen schleichen um mein Haus, so durstig, so verloren.
Ein Gedanke. Er hob einen Zeigefinger, der vor seinen Augen verschwamm.
Freunde, ich stehe vor euch, um über den Vampir zu sprechen, eine Minderheit, wenn es je eine gab, und es gab eine.
Aber zur Sache, ich werde meine These darlegen, die da ist: Vampire haben unter Vorurteilen zu leiden!
Die Hauptursache für die Vorurteile ist, dass sie verabscheut werden, weil man sie fürchtet. Deshalb ...
Er schenkte sich nach, füllte das Glas bis zum Rand.
Früher, im finsteren Mittelalter, um genau zu sein, war die Macht des Vampirs groß, die Furcht vor ihm ungeheuerlich. Er war verflucht und bleibt verflucht. Die Gesellschaft hasst ihn ohne Vernunftgründe.
Doch sind seine Bedürfnisse schockierender als die von Tieren und Menschen? Ist sein Handeln empörender als das des Elternteils, das seinem Kind den eigenen Willen geraubt hat? Vielleicht ist es die Schuld eines Vampirs, wenn das Herz hämmert oder sich einem die Haare aufstellen. Aber ist er schlimmer als die Eltern, die der Gesellschaft ein neurotisches Kind schenkten, das zum Politiker wurde? Ist er schlimmer als der Fabrikant, der eine Stiftung mit dem Geld errichtete, das er durch Waffenlieferungen an selbstmörderische Nationalisten erwarb? Ist er schlimmer als der Schnapsbrenner, der schädlichen Kornbrand herstellte, um die Köpfe derer zu verdummen, die schon nüchtern zu keinem progressiven Gedanken fähig gewesen waren? Oh, ich entschuldige mich für diesen Ausrutscher, denn damit beiße ich ja die Hand, die mir zu trinken gibt. Sagen wir lieber: Ist er denn schlimmer als der Verlag, der mit seinen Büchern und Heftchen in allen Auslagen die Sinneslust und Todessehnsucht weckte? Geht in euch, meine nichtvorhandenen Zuhörer - ist der Vampir wirklich so schlimm?
Er trinkt doch nur Blut.
Weshalb also dieses unduldsame Vorurteil? Diese gedankenlose Voreingenommenheit? Weshalb kann der Vampir nicht leben, wo es ihm gefällt? Warum muss er sich in Verstecken verkriechen, wo keiner ihn finden kann? Weshalb wollt ihr ihn vernichten? Seht ihr, ihr habt den arglosen Unschuldigen zum gehetzten Tier gemacht. Man gibt ihm keine Möglichkeit, für seinen Unterhalt zu sorgen, für eine anständige Ausbildung, er hat kein Stimmrecht. Kein Wunder, dass er zum nächtlichen Raubtier wird.
Robert Neville brummte etwas
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