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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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fünf Bezirken unseres Tals – Kohistan, Malakand, Shangla, Oberes Dir und Unteres Dir. Diese Verwalter waren ganz enthusiastisch, denn jeder hoffte, zum Oberhaupt seines Bezirks ernannt zu werden, um die Scharia durchzusetzen. Später wurden sie ermordet oder ins Gefängnis geworfen, aber vorerst träumten sie davon, Herrscher eines neuen Gottesstaats zu sein. Daher redete jeder dieser Verwalter mit großer Kompetenz, und sie ließen sich feiern wie der Prophet, als dieser Mekka eroberte. Der hatte jedoch von Vergebung gepredigt, nicht von grausamen Siegen.
    Dann sprach Sufi Muhammad. Er war kein guter Rhetoriker. Er sah alt und krank aus, und er schwafelte 45 Minuten lang. In diesen verkündete er Dinge, die man nicht erwartet hatte. Es war, als redete er mit fremder Zunge. So bezeichnete er die pakistanische Gerichtsbarkeit als unislamisch und meinte: »Ich betrachte die westliche Demokratie als ein System, das uns von Ungläubigen aufgezwungen wurde. Der Islam gestattet keine Demokratie oder Wahlen.«
    Die Menschen waren erschüttert. Sufi Mohammad sagte kein Wort über Bildung. Er sagte den Taliban nicht, dass sie die Waffen niederlegen und die Hujras verlassen sollten. Vielmehr schien er dem ganzen Land zu drohen. »Wartet nur, bis wir nach Islamabad kommen«, rief er.
    Wir waren schockiert. Es war, als würde man Wasser auf ein loderndes Feuer gießen, und alles ist mit einem Mal ausgelöscht. Viele Menschen waren frustriert und fingen an, über ihn zu schimpfen. »Was hat dieser Teufel gesagt?«, fragten sie. »Er ist nicht für den Frieden, er will, dass das Töten weitergeht.«
    Meine Mutter formulierte es, wie man es besser nicht hätte sagen können: »Er hatte die Chance,
der
Held der Geschichte zu werden, aber er hat sie nicht genutzt.«
    Am Abend jenes Tages sprach mein Vater in der
Kamran Khan Show
auf Geo TV und sagte dem Journalisten, dass die Menschen große Erwartungen gehabt hätten, aber enttäuscht worden seien. Sufi Muhammad hatte nicht getan, was er als Anführer der Bewegung hätte tun müssen. Man hatte von ihm erwartet, das Abkommen mit seiner Versöhnungsansprache zu besiegeln und die Gewalt zu beenden.
    Und wieder rankten sich verschiedene Verschwörungstheorien um das Ereignis. Die einen meinten, Sufi Muhammad habe den Verstand verloren. Andere, man habe ihm befohlen, diese Ansprache zu halten, er selbst sei gewarnt worden: »Wenn du es nicht tust, wie wir dir sagen – in der Nähe der Bühne sind vier, fünf Selbstmordattentäter, die werden dich und alle Anwesenden in die Luft sprengen.« Einige waren der Ansicht, er habe auf der Bühne beklommen gewirkt. Sie murmelten etwas von verborgenen, von unsichtbaren Kräften.
    Was spielt das alles für eine Rolle?, fragte ich mich. Wir waren sowieso ein Taliban-Staat.
    Mein Vater war damit beschäftigt, in Seminaren über den Verdruss mit den Taliban zu sprechen. In einem solchen Seminar sagte der Informationsminister unserer Provinz, an der Talibanisierung, die in ganz Pakistan im Gange sei, seien wir selbst schuld, wir hätten Kämpfer ausgebildet und nach Afghanistan geschickt, zuerst, um die Russen zu bekämpfen, später die Amerikaner.
    Er meinte: »Wenn wir den Madrasa-Schülern nicht auf Geheiß der ausländischen Mächte Gewehre in die Hand gegeben hätten, müssten wir dieses Blutbad in den Stammesgebieten und im Swat nicht erleben.«
    Bald wurde klar, dass die Amerikaner mit ihrer Einschätzung des Abkommens richtig gelegen hatten. Die Taliban glaubten, die pakistanische Regierung habe eingelenkt und sie könnten nun tun und lassen, was sie wollten. Sie rückten auf die Hauptstadt vor, dabei fielen sie in Buner ein, den nächsten Bezirk südöstlich des Swat-Tals, nur gut 100 Kilometer von Islamabad entfernt. Hier hatten die Menschen traditionsgemäß gegen die Taliban aufbegehrt, aber es war ihnen von den Bezirksbeamten befohlen worden, nicht gegen sie zu kämpfen. Als Extremisten mit Panzerabwehr-Granatwerfern, kurz RPG s, und Gewehren anrückten, verließen die Polizisten ihre Posten mit dem Argument, die Taliban hätten »überlegene Waffen«. Aber nicht nur die Polizisten flohen, auch die Menschen. Die Taliban setzten Scharia-Gerichte ein und verbreiteten über Rundfunk Predigten, in denen die Jugend von Buner aufgerufen wurde, sich ihnen anzuschließen.
    Wie vorher im Swat setzten sie Fernsehapparate, DVD s und Tonbänder in Brand. Sie brachten sogar den berühmten Schrein des Sufi-Heiligen Pir Baba in ihre Gewalt, der

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