Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1
Kabine und warte. Das leichte Leuchten bleibt. Schließlich läutet es und die Toilette leert sich.
Ich schüttle verärgert den Kopf, ich muss das Unvermeidliche akzeptieren: Mein Handy ist weg, und Henri ist auf dem Weg in die Stadt. Ich bin allein mit meiner Dummheit und kann keinem die Schuld geben außer mir selbst. Ich hole die Handschuhe aus der Hosentasche und ziehe sie an. Lederne Gartenhandschuhe! In Clownschuhen und gelben Pumphosen könnte ich nicht lächerlicher aussehen. So viel zu Unauffälligkeit und Anpassen! Ich muss aufhören, mich mit Mark herumzustreiten. Er hat gewonnen. Soll er doch mein Handy behalten, Henri und ich werden heute Abend ein anderes besorgen. Ich verlasse die Toiletten und begebe mich durch den leeren Gang in mein Klassenzimmer.
Alle starren erst mich, dann die Handschuhe an. Sinnlos, sie verstecken zu wollen. Ich sehe aus wie ein Idiot. Ich bin ein Alien, ich habe außerordentliche Kräfte, die noch zunehmen werden und kann Dinge tun, von denen Menschen nicht mal zu träumen wagen – aber ich sehe immer noch aus wie ein Idiot.
***
Ich sitze mitten im Klassenzimmer. Niemand spricht mit mir und ich bin zu aufgeregt, um zu hören, was der Lehrer sagt. Als es läutet, sammele ich meine Sachen zusammen, packe sie in meine Tasche und ziehe die Riemen über meine Schulter. Ich trage immer noch die Handschuhe. Beim Hinausgehen ziehe ich den rechten ein wenig zurück und werfe einen vorsichtigen Blick auf die Handfläche. Sie schimmert noch.
Ich gehe kontrolliert durch den Gang, atme langsam, versuche mich zu sammeln – es funktioniert nicht. Im nächsten Klassenzimmer sitzt Mark am gleichen Platz wie gestern, Sarah neben ihm. Er grinst mich spöttisch an, und weil er so sehr damit beschäftigt ist, cool zu sein, bemerkt er zum Glück meine Handschuhe nicht.
»Wie geht’s, Sprinter? Wie ich höre, suchen die fürs Querfeldeinrennen noch neue Leute.«
»Lass den Schwachsinn!«, weist Sarah ihn zurecht. Ich blicke sie im Vorbeigehen an; ihre blauen Augen schüchtern mich ein, mein Gesicht wird warm. Mein Platz vom Vortag ist besetzt, also gehe ich ganz nach hinten. Der Junge von gestern, der mich vor Mark gewarnt hat, setzt sich neben mich. Er trägt wieder ein schwarzes T-Shirt mit dem-Logo in der Mitte, Militärhosen und Tennisschuhe. Seine sandfarbenen Haare sind zerzaust, die haselnussbraunen Augen werden durch die Brillengläser vergrößert. Er zieht einen Notizblock voller Diagramme von Sternkonstellationen und Planeten heraus, dann mustert er mich und starrt unverhohlen auf meine Hände.
»Wie geht’s?«, frage ich.
Er zuckt die Achseln. »Warum hast du Handschuhe an?«
Ich will antworten, aber Mrs. Burton beginnt mit dem Unterricht.
Fast die gesamte Stunde zeichnet mein Sitznachbar das, was anscheinend seiner Vorstellung von Marsmenschen entspricht:kleine Körper, große Köpfe, Hände und Augen. Die gleichen stereotypen Darstellungen wie im Kino. Jede seiner Zeichnungen signiert er mit
Sam Goode
. Als er merkt, dass ich ihn beobachte, schaue ich weg.
Während Mrs. Burton über Saturns einundsechzig Monde spricht, betrachte ich Marks Hinterkopf. Beim Schreiben beugt er sich über seinen Tisch, dann setzt er sich auf und gibt Sarah einen Zettel. Sie schnippt ihn zurück, ohne ihn zu lesen. Das freut mich. Mrs. Burton macht das Licht aus und zeigt uns ein Video. Beim Anblick der rotierenden Planeten auf der Leinwand muss ich an Lorien denken. Lorien ist einer der achtzehn Planeten im Universum, auf denen Leben existiert. Die Erde ist ein anderer. Mogador, leider, wieder ein anderer.
Lorien. Ich schließe die Augen und erlaube mir die Erinnerung. Ein alter Planet, hundert Mal älter als die Erde. Die Probleme, die sich jetzt auf der Erde wiederfinden – Verschmutzung, Überbevölkerung, globale Erwärmung, Lebensmittelknappheit –, hatte Lorien auch. An einem bestimmten Punkt, vor fünfundzwanzigtausend Jahren, begann der Planet zu sterben. Das war lange bevor man durchs Universum reisen konnte, und die Einwohner von Lorien mussten etwas unternehmen, wenn sie überleben wollten. Schließlich engagierten sie sich für die Selbsterhaltung ihres Planeten, indem sie ihre Lebensweise änderten und auf alles Schädliche wie Waffen, giftige Chemikalien und Schadstoffe verzichteten. Allmählich kehrten sich die Dinge um. Unterstützt durch die Evolution, entwickelten in Tausenden von Jahren bestimmte Einwohner – die Garde – Kräfte zum Schutz und zur Unterstützung des
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