Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
wir nur Eindrücke ausdrücken. Was weitere Aufzeichnungen im Kindheits-Ich angeht, so lässt sich kaum ein Gefühl vorstellen, dass ein Kind in den ersten Lebensjahren noch nicht in seiner intensivsten Form empfunden hätte. Das stimmt mit den meisten psychoanalytischen Theorien überein und entspricht auch meinen eigenen Beobachtungen.
Wie aber können wir denn auf Veränderung hoffen, wenn wir aus der Kindheit hervorgehen mit einem Erfahrungsvorrat im Eltern-Ich und im Kindheits-Ich, der unauslöschlich feststeht? Wie können wir aus dem Schatten der Vergangenheit heraustreten?
Das Erwachsenen-Ich
Im Alter von etwa zehn Monaten geschieht etwas Bemerkenswertes mit dem Kind. Bis dahin hat sein Leben hauptsächlich aus hilflosen, nicht verstandesmäßigen Reaktionen auf die Forderungen und Reize seiner Umgebung bestanden. Das Kleine hat ein Eltern-Ich und ein Kindheits-Ich. Aber ihm fehlt noch die Fähigkeit, unter seinen Reaktionsmöglichkeiten auszuwählen oder seine kleine Umgebung in seinem Sinne zu verändern. Es hat noch keine Selbststeuerung, keine Möglichkeit, sich seinen Lebensraum zu erobern. Es hat einfach entgegengenommen, was ihm in den Weg kam.
Mit zehn Monaten jedoch beginnt das Kleine die Macht über seine Bewegungen, über absichtliche Ortsveränderung auszukosten. Es kann mit Gegenständen hantieren und fängt an, sich zu rühren und sich aus dem Gefängnis der Bewegungslosigkeit zu befreien. Zwar ist der Säugling schon früher, etwa mit acht Monaten, durchaus imstande, Hilfe herbeizuschreien, um sich aus einer unbehaglichen Lage erlösen zu lassen. Aber selbst damit fertig werden kann er dann noch nicht. Mit zehn Monaten konzentriert sich der kleine Mensch, seine Spielzeuge zu untersuchen und auszuprobieren.
Professor Arnold Gesell, der Direktor des Forschungsinstituts für Kindesentwicklung an der Medizinischen Fakultät der Yale University, hat zusammen mit Professor Francis L. Ilg und zahlreichen Mitarbeitern über viele Jahre hin eine große Anzahl von Kindern beobachtet und aus dem reichen empirischen Material sogenannte Verhaltensprofile zusammengestellt, die mit großer Genauigkeit das Verhalten des normalen Kindes auf den verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen beschreiben. Die Ergebnisse dieser Pionierforschung sind in drei Bänden seit Anfang der vierziger Jahre erschienen. Über das Kleinkind im Alter von zehn Monaten heißt es im ersten Band mit dem Titel
‹Säugling und Kleinkind in der Kultur der Gegenwart›
(New York 1943, deutsche Ausgabe: Christian Verlag, Bad Nauheim 1952):
«Der Säugling nimmt selbst sein Fläschchen bei der ersten Morgenmahlzeit … Eine kleine Milchmenge kann manches Kind schon aus der Tasse trinken; die meisten neigen jedoch dazu, unter Verzicht auf weiteres Trinken in die Tassen zu pusten … Es pustet gern Blasen und spielt mit Vorliebe ‹Trinken› mit einer leeren Tasse … Die Lautbildung wird in diesem Alter abwechslungsreicher; unartikulierte Laute fallen mehr und mehr fort. Das Kind plappert jetzt ‹mama›, ‹papa›, ‹nana›, ‹gaga›, ‹dada›. Mit Vorliebe formt es mit den Lippen Laute, singt sie in hohen Tonlagen und probiert etwa mit dem Silbenpaar ‹dada› die verschiedensten Tonhöhen aus. Oft hält es plötzlich inne und lacht über seine eigenen Laute, besonders über die hohen …
Mit gesammelter Aufmerksamkeit widmet sich der kleine Erdenbürger der genauen Untersuchung seiner Spielsachen. Er spielt gern mit einer Tasse und führt sie an die Lippen, als ob er daraus trinken wolle. Überhaupt steckt er alles Erreichbare in den Mund und knabbert daran. Er klatscht in die Hände oder winkt.
… Das Kind freut sich auch, wenn es seine Muskelkraft erproben kann: es sitzt gern und spielt (wenn es aufgesetzt worden ist), es lehnt sich weit nach vorn und richtet sich wieder auf. Es angelt sich ein Spielzeug, strampelt mit den Beinen, geht vom Sitzen zum Kriechen über, zieht sich hoch und lässt sich langsam wieder nieder. Es fängt an, verschiedene Richtungen einzuschlagen.
‹Gesellschaftsspiele›, die das Kind mit seinen Pflegern jetzt gern spielt, sind ‹Guckguck – dada› und ‹Lippenspiel› (es schlägt auf seine Lippen und bringt dabei einen Sington hervor); wenn man es an beiden Händen hält, wagt es erste Schritte; es lässt sich auch gern bäuchlings auf den Boden legen oder in ein Schaukelstühlchen setzen.
Bei kleinen Mädchen deuten sich erste Spuren von Schüchternheit an: Sie halten den
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