Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
sich in negativen Gefühlen niederschlagen. Aus dieser Gefühlsgrundlage keimt in dem kleinen Menschen schon früh der Gedanke auf: «Ich bin nicht o.k.» Wir bezeichnen diese umfassende Selbsteinschätzung als das NICHT O.K . oder das NICHT O.K.-KINDHEITS-ICH . Dieser Schluss und die ständige Erfahrung der kummervollen Gefühle, die zu ihm geführt haben und ihn bestätigen, werden dauerhaft im Gehirn registriert und lassen sich nicht löschen. Diese unauslöschliche Aufzeichnung ist das Vermächtnis unserer Kindheit. Jedes Kind häuft ein solches Erbe an. Selbst das Kind gütiger, liebevoller, wohlmeinender Eltern. Denn das Problem ergibt sich nicht etwa aus den Intentionen der Eltern, sondern aus der Situation an sich, in der ein Kind lebt. (Im nächsten Kapitel wird darauf näher eingegangen.)
Wenn selbst die Kinder «guter» Eltern die Bürde des NICHT O.K . tragen müssen, dann dämmert einem die Ahnung, wie belastet Kinder sein müssen, deren Eltern sich grober Vernachlässigung, Misshandlung und Grausamkeit schuldig machen.
Wie das Eltern-Ich ist auch das Kindheits-Ich ein Zustand, in den ein Mensch fast jederzeit während seiner alltäglichen Transaktionen versetzt werden kann. Auch heute können uns viele Dinge widerfahren, die wieder die Kindheitssituation heraufbeschwören und dieselben Gefühle wecken, die wir damals empfunden haben. Häufig finden wir uns in einer Lage, wo wir nicht aus noch ein wissen, wo wir in die Ecke getrieben werden, entweder tatsächlich oder nur eingebildet. Solche Umstände schalten das Kindheits-Ich ein, und dann spielt es die ursprünglichen Gefühle von Frustration, Zurückweisung oder Verlassenheit wieder ab: Wir durchleiden die Ur-Beklommenheit des kleinen Kindes in einer späteren Version. Wenn ein Mensch von Gefühlen gepackt wird, sagen wir deshalb: sein Kindheits-Ich hat die Führung übernommen. Wenn sein Zorn stärker ist als seine Vernunft, dann sagen wir, dass sein Kindheits-Ich ihn in der Gewalt hat.
Nun gibt es aber zum Glück auch noch eine gute Seite, denn das Kindheits-Ich ist zugleich ein großer Speicher positiver Daten. Im Kindheits-Ich ruhen Kreativität und Neugier, Abenteuerlust und Wissensdrang, die Lust am Berühren, Fühlen, Erfahren und die Schätze der Erinnerung an die herrlichen, taufrischen Gefühle von ersten Entdeckertaten her. Im Kindheits-Ich sind die zahllosen, großartigen Aha-Erlebnisse registriert, die ersten Erlebnisse überhaupt im Leben des kleinen Menschen: der erste Schluck aus dem Gartenschlauch, das erste Streicheln des weichen Kätzchens, der erste sichere Halt an der Mutterbrust, das erste Lichtanknipsen, die erste Unterwasserjagd nach der Badeseife und die Wonne, all diese Dinge wieder und wieder zu tun. Die Gefühle, die diese lustvollen Handlungen begleiten, werden ja ebenfalls mit aufgezeichnet. Zu allen NICHT O.K .-Aufzeichnungen gibt es einen Kontrapunkt: das rhythmische o.k., wenn die Mutter ihr Kind in den Armen wiegt, die weiche Wärme der Lieblingsdecke, die stets vorhandene Bereitschaft, auf positive Umstände (wenn das Kind tatsächlich geliebt wird) auch wirklich positiv zu reagieren – all dies hat ein Mensch ebenfalls auf seinem inneren Tonband und kann es abspielen, wenn die Transaktionen der Gegenwart dafür den passenden Rahmen bieten. Das ist die andere Seite: das glückliche Kind, der sorglose kleine Junge, der Schmetterlinge jagt, das kleine Mädchen mit Schokolade im Gesicht. Auch das kommt durch in den gegenwärtigen Transaktionen. Doch wenn wir kleine Kinder und uns Erwachsene beobachten, kommen wir an der Erkenntnis nicht vorbei, dass die NICHT O.K .-Gefühle die guten bei weitem überwiegen. Aus diesem Grund halten wir die Aussage für zutreffend, dass jeder ein NICHT O.K .-Kindheits-Ich hat.
Häufig werde ich gefragt: Wann hören Eltern-Ich und Kindheits-Ich auf zu reagieren? Enthalten Eltern-Ich und Kindheits-Ich nur Erfahrungen aus den ersten fünf bis sechs Lebensjahren? Ich glaube, dass ein Kind bis zu dem Moment, in dem es sein Zuhause verlässt und seine erste selbständige Erfahrung in der Gesellschaft macht – in der Schule –, fast jeder möglichen Einstellung und Ermahnung seiner Eltern ausgesetzt ist. Weitere Äußerungen der Eltern sind von da an im Wesentlichen eine Verstärkung dessen, was bereits aufgezeichnet ist. Die Tatsache, dass das Kind jetzt sein Eltern-Ich gegenüber anderen einzusetzen beginnt, wirkt ebenfalls verstärkend im Sinne der aristotelischen Vorstellung, dass
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