Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Meinung, nach der man etwas für so oder so erachtet, aus dem Eltern-Ich abgeleitet worden ist. Und trotzdem kommt in diesen Wendungen das Erwachsenen-Ich zum Ausdruck, denn hier wird etwas eben als persönliche Meinung deklariert und nichs als unumstößliche Tatsache hingestellt. «Meiner Meinung nach sollten Jugendliche über achtzehn das Wahlrecht haben», ist etwas anderes als die Aussage: «Wer über achtzehn ist, muss wählen dürfen.»
Wir besitzen nunmehr ein Bündel von Indizien. Mit ihrer Hilfe können wir jetzt darangehen, das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich und das Kindheits-Ich in der Praxis zu erkennen, nämlich in den Transaktionen, die wir selbst mit anderen erleben.
Jede Situation, an welcher zwei oder mehr Menschen teilhaben, ist überreich an Beispielen für jede nur vorstellbare Art von Transaktionen. Vor einigen Jahren fuhr ich mit dem Bus nach Berkeley und notierte mir dabei eine Reihe von Transaktionen. Die erste war ein Austausch auf der Eltern-Ich-Ebene (Abb. 9) zwischen zwei griesgrämigen Damen, die mir gegenübersaßen. Sie stellten eine umständliche – und langwierige! – philosophische Betrachtung an über die Frage, ob der Bus rechtzeitig in Berkeley ankommen werde. Mit bedeutsamen, wissendem, verständnisinnigem Kopfnicken pflegten sie einen langen Gedankenaustausch, der mit den folgenden Transaktionen begann:
Abb. 9
Transaktion zwischen Eltern-Ich und Eltern-Ich
FRAU A
(schaut auf ihre Uhr, zieht sie auf, murmelt, zieht den Blick ihrer Nachbarin auf sich, seufzt bekümmert.)
FRAU B
(seufzt zurück, rutscht unbehaglich hin und her, schaut auf ihre Uhr.)
FRAU A : «Es sieht so aus, als hätten wir schon wieder Verspätung.»
FRAU B : «Ohne die geht’s ja wohl gar nicht mehr.»
FRAU A : «Busse sind immer unpünktlich, scheint’s, oder?»
FRAU B : «Ja, immer.»
FRAU A : «Genau das habe ich heute Morgen zu meinem Mann gesagt. Herbert, hab ich gesagt, heutzutage kriegt man aber auch gar nichts mehr so wie früher.»
FRAU B : «Da haben Sie völlig recht. Es ist ein Zeichen der heutigen Zeit.»
FRAU A : «Aber zahlen muss man trotzdem, und nicht zu knapp. Darauf können Sie sich verlassen!»
Diese Transaktionen spielen sich zwischen Eltern-Ich A und Eltern-Ich B ab, weil sie ohne Absicherung durch Realitätsdaten ablaufen: sie sind eine Wiederholung der «Werturteile», die Frau A und Frau B als Kinder von ihren Muttis und Tanten über die Unzuverlässigkeit der Busse aufgeschnappt haben. Frau A und Frau B fanden mehr Genuss in der Aufzählung von Widrigkeiten als in der eventuellen Beschaffung von Informationen über den wahren Sachverhalt. Der Grund dafür ist das gute Gefühl, das aus Tadeln und Anschuldigen entsteht. Wenn wir tadeln und anschuldigen, spielen wir das frühe Tadeln und nach einem Schuldigen suchen wieder durch, das in unserem Eltern-Ich aufgezeichnet ist, und dabei empfinden wir uns als O.K ., weil das Eltern-Ich O.K . ist und wir uns auf seine Seite stellen. Jemanden zu finden, der mit einem übereinstimmt und mitspielt, erzeugt nahezu ein Gefühl von Omnipotenz.
Frau A machte den Eröffnungszug. Frau B hätte das Spiel beenden können, wenn sie irgendwann mit einer Erwachsenen-Ich-Bemerkung auf Frau A reagiert hätte:
FRAU A
(schaut auf ihre Uhr, zieht sie auf, murmelt, zieht den Blick ihrer Nachbarin auf sich, seufzt bekümmert.)
Mögliche Reaktionen des Erwachsenen-Ichs:
Nichtbeachtung des Seufzers, wegschauen;
ein nichtssagendes Lächeln;
(wenn Frau A entsprechend bekümmert wirkt): «Fehlt Ihnen etwas?»
FRAU A : «Es sieht so aus, als hätten wir schon wieder Verspätung.»
Mögliche Reaktionen des Erwachsenen-Ichs:
«Wie viel Uhr ist es jetzt?»
«Dieser Bus ist im Allgemeinen pünktlich.»
«Hatten Sie auf dieser Linie schon einmal Verspätung?»
«Ich werde mich erkundigen.»
FRAU A : «Busse sind immer unpünktlich, scheint’s, oder?»
Mögliche Reaktionen des Erwachsenen-Ichs:
«Das kann ich nicht finden.»
«Ich fahre selten mit dem Bus.»
«Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.»
FRAU A : «Genau das habe ich heute Morgen zu meinem Mann gesagt. Herbert, hab ich gesagt, heutzutage kriegt man aber auch gar nichts mehr so wie früher.»
Mögliche Reaktionen des Erwachsenen-Ichs:
«Da kann ich Ihnen nicht recht geben.»
«Was verstehen Sie unter ‹so wie früher›?»
«Meiner Meinung nach leben wir heute nicht schlechter als früher.»
«Ich habe keinen Grund zur Klage.»
Diese
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