Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Mensch nicht verantwortlich, sondern ein Produkt seiner Vergangenheit.
Wir können die Realität von Ursache und Wirkung nicht leugnen. Wenn wir eine Billardkugel stoßen und sie einige andere trifft, die so gezwungen werden, wiederum andere Billardkugeln zu bewegen, dann müssen wir darin einen Beweis für die Verkettung von Ursachen und Wirkungen anerkennen. Nach dem monistischen Prinzip wirken Gesetze dieser Art überall in der Natur. Doch die Geschichte zeigt, dass im Gegensatz zu den Billardkugeln, die bleiben, was sie sind, wenn das Drama von Ursache und Wirkung sie ereilt, die Menschen mehr geworden sind als was sie waren. Die Evolutionsgeschichte – und die persönliche Erfahrung – beweisen deutlich, dass der Mensch über seine Vorfahren hinausgelangt ist.
Der amerikanische Kulturhistoriker Will Durant hat dargelegt, wie der französische Philosoph Henri Bergson (1859–1941) das Problem des Determinismus rigoros ad absurdum führte:
«War der Determinismus schließlich und endlich fasslicher als der freie Wille? Wenn der gegenwärtige Augenblick keine lebendige und schöpferische Wahl mehr lässt und ausnahmslos und automatisch das Ergebnis von Materie und Bewegung des vorangegangenen Augenblicks ist, dann war auch dieser Augenblick die automatische Wirkung des ihm vorausgegangenen Augenblicks und dieser wieder die seines Vorläufers … und so weiter, bis wir bei den kosmischen Urnebeln als alleiniger Ursache jedes späteren Ereignisses, jeder Zeile eines Shakespeare-Dramas und jeder seelischen Pein anlangen; dann fand sich also die düstere Beredsamkeit von Hamlet und Othello, von Macbeth und Lear Satz für Satz in den fernen Himmeln und Äonen bereits niedergeschrieben, festgelegt von Struktur und Inhalt jener legendären Wolke. Eine harte Probe für die Leichtgläubigkeit … Hier gab es Grund genug zur Rebellion. Und Bergson wurde nicht zuletzt so rasch berühmt, weil er den Mut hatte zu zweifeln, wo alle Zweifler andächtig glaubten.» [17]
Die Lösung besteht nicht darin, das Gesetz von Ursache und Wirkung in der Natur oder im menschlichen Verhalten anzufechten; die Ursache muss vielmehr anderswo als in der Vergangenheit gesucht werden. Der Mensch tut, was er tut, aus bestimmten Gründen, doch nicht alle diese Gründe liegen in der Vergangenheit. Bei einem Fernseh-Interview wurde ich gefragt, warum meiner Meinung nach Charles Whitman auf einen Turm der Universität von Texas gestiegen war und von oben in eine Menschenmenge geschossen hatte. Nachdem ich eine Anzahl möglicher Gründe genannt hatte, wurde ich gefragt: «Aber warum tun manche Menschen so etwas und andere nicht?» Diese Frage ist berechtigt. Wenn wir zugeben müssen, einfach nicht genug über die Vergangenheit eines Individuums zu wissen, dann glauben wir immer noch, dass irgendwo «damals» eine Antwort zu finden ist.
Zwischen einem Menschen und einer Billardkugel besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied. Der Mensch kann denken und damit in die Zukunft sehen. Er wird von einer anderen Art Kausalordnung beeinflusst, die Charles Harteshorne als «kreatives Kausalprinzip» bezeichnet. [18] Elton Trueblood entwickelt diese Theorie weiter durch die Vorstellung, dass die Ursachen für menschliches Verhalten nicht nur in der Vergangenheit liegen, sondern auch in der Fähigkeit des Menschen, in die Zukunft zu schauen, das heißt: Wahrscheinlichkeiten ins Auge zu fassen:
«Der menschliche Geist … arbeitet großenteils mit dem Blick auf Endursachen. Das ist so offenkundig, dass es kaum übersehen werden kann; jeder geht darüber hinweg, der mit dem Billardkugel-Vergleich die Freiheit leugnet. Selbstverständlich bewegt sich die Billardkugel primär durch ein wirksames Kausalprinzip, doch der Mensch funktioniert ganz anders. Der Mensch ist ein Geschöpf, dessen Gegenwart ständig von der Rücksichtnahme auf eine nicht wirkliche, aber dennoch wirksame Zukunft beherrscht wird. Was
nicht
ist, beeinflusst das, was
ist
. Ich stehe vor einem schwierigen Problem, doch die Lösung ist nicht nur das Ergebnis des Spiels mechanischer Kräfte wie bei einem physikalischen Körper; statt dessen denke ich, und die meisten meiner Gedanken beschäftigen sich mit dem, was sich ergeben könnte, falls gewisse Schritte getan würden.» [19]
Ortega y Gasset definiert den Menschen als «ein Wesen, das nicht so sehr aus dem besteht, was es ist, als aus dem, was es sein wird» [20] .
«… man kann noch nicht einmal sagen, dass der eigene bisherige
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