Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Aufzeichnungen vom Schulbeginn laufen ab, und wir «riechen wieder» die erregenden Düfte von Federtaschen, Bohnerwachs und Tafelkreiden. Die gleichen Gerüche können, je nach den Erfahrungen der ersten Schuljahre, bei anderen Menschen Depressionen auslösen. Viele alte Aufzeichnungen bewirken bei ihrer Wiedergabe die «Hochs» und «Tiefs», die wir alle erleben. Obwohl sie schwer zu fassen sind, lassen sich diese Gründe üblicherweise durch einige Nachforschungen von seiten des Erwachsenen-Ichs herausfinden. Die meisten von uns nehmen die trüben Stimmungen hin und genießen die guten, weil das Erwachsenen-Ich die Kontrolle behält und dafür sorgt, dass unser Verhalten angemessen bleibt.
Es gibt einen Zustand, bei dem diese Stimmungswechsel extrem sind und zu übertriebenem Verhalten führen, das sich der Kontrolle des Erwachsenen-Ichs entzieht. Das Erwachsenen-Ich kann dann weder das Verhalten beherrschen noch die Ursache des Stimmungswechsels entdecken. Diesen Zustand findet man bei der manisch-depressiven Persönlichkeit. Ein Manisch-Depressiver erlebt periodisch starke und unerklärliche Stimmungsveränderungen. In der manischen Phase fühlt er sich euphorisch, überlegen und voller Energie. Er kann gesprächig und aggressiv sein. Es ist, als ginge sein Kindheits-Ich mit ihm durch. In dieser Phase scheint das Eltern-Ich keinen hemmenden Einfluss zu haben, und das Individuum glaubt, nichts falsch machen zu können. Es springt von einer Sache zur andern, beginnt hochgestimmt eine Beschäftigung und gibt sie wieder auf um eines anderen, noch riskanteren Vergnügens willen, als ob es in gewissem Sinne prüfen wollte, wie weit es in seinem Glücksrausch gehen kann. Das Problem liegt darin, dass trotz seines Wohlbefindens sein Erwachsenen-Ich behindert oder mit dem Kindheits-Ich eingetrübt ist und der Mensch sich nicht realistisch verhält. Er kann anderen gegenüber unangenehm werden, und im Extremfall muss man ihn ruhigstellen oder in eine Klinik einweisen. Allmählich beruhigt er sich und erlebt eine anscheinend stabile Phase, die lange anhalten kann. In dieser Zeit beherrscht das Erwachsenen-Ich sein Verhalten, das realistisch und angemessen erscheint.
Dann versinkt er aus Gründen, die ihm nicht bewusst sind, in tiefste Depression. Das O.K . ist ebenso geheimnisvoll verschwunden, wie es aufgetaucht war. Das Leben erscheint leer, seine Energie ist dahin, und sein Eltern-Ich ist mit aufgestautem Tadel und mit den alten Zwängen zurückgekehrt. Wieder ist das Erwachsenen-Ich ohnmächtig und der Mensch verharrt regungslos in seiner Depression.
Der Manisch-Depressive unterscheidet sich von anderen, die ein übliches, alltägliches «Himmelhoch-jauchzend – Zu-Tode-betrübt» erleben, durch die Tatsache, dass diese Stimmungsveränderungen
unerklärlich
erscheinen. Außerdem treten sie periodisch und immer wieder auf.
Um zu verstehen, was in den manisch-depressiven Zyklen vorgeht, muss man sich klar darüber sein, dass sowohl die Allmacht der manischen Phase wie die Ohnmacht der depressiven Phase
Gefühle
sind, die im Kindheits-Ich aufgezeichnet wurden. Bei beiden handelt es sich um Reaktionen auf archaische Aufzeichnungen im Eltern-Ich. In jeder Phase geht es um einen inneren Dialog zwischen Eltern-Ich und Kindheits-Ich. Im depressiven Stadium schlägt das Eltern-Ich auf das Kindheits-Ich ein, und im manischen Stadium spendet das Eltern-Ich Beifall.
Wie bei jeder Analyse von Gefühlen ist zu fragen: Was war die ursprüngliche Transaktion? Bei der manisch-depressiven Persönlichkeit findet man häufig ein starkes, wenn nicht übermächtiges Eltern-Ich, das widersprüchliche Gebote und Verbote enthält, die sehr früh – nach Piagets Beobachtungen wahrscheinlich in den ersten zwei Lebensjahren – aufgezeichnet wurden, als das Erwachsenen-Ich in dem kleinen Menschen zum ersten Mal ein System von Ursache und Wirkung zu erarbeiten versuchte. Wenn sich in dieser kritischen Zeit unüberwindliche Unvereinbarkeiten und Widersprüche vor dem Kind auftürmen, kann es resignieren, sein Intellekt bildet dann keine Kausalitätsstruktur. («Es hat ja doch keinen Sinn, egal, wie ich es betrachte.») Und statt dessen begreift ein solches Kind das, was ihm geschieht, als eine Angelegenheit der
Zeit
und nicht als eine Beziehung von Objekten und Ereignissen. Der Manisch-Depressive kann, genau wie in seiner Kindheit, nicht sagen, was sein Hoch oder sein Tief herbeigeführt hat. Seine Stimmung ist jetzt so wenig
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