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Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse

Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse

Titel: Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Harris
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durch orale Belohnungen oder Versagungen ausgedrückt wurden, sind die Stimmungswechsel des manisch-depressiven Erwachsenen ebenfalls auf das Gefühl: «Das Leben ist Fülle» in der manischen Phase und auf das Gefühl: «Das Leben ist leer» in der depressiven Phase bezogen.
    Wie bei der Behandlung aller emotionalen Probleme muss das Erwachsenen-Ich dazu gebracht werden, seine Gefühle zu überprüfen und zu fragen:
Warum?
Die größte Schwierigkeit bei der Behandlung des Manisch-Depressiven liegt darin, dass es das Kind schon frühzeitig aufgegeben hat, nach dem Warum zu fragen, ja, dass es sogar zu dem Entschluss gekommen ist, nie mehr zu fragen. Frieda Fromm-Reichmann stellt fest, dass es Manisch-Depressiven mangelt an «der Fähigkeit zum genauen Beobachten, Mangel an Interesse, an rechtzeitiger Einübung und an Talent zum introspektiven Beobachten und Verstehen». Diese klar erkennbaren Mangelsymptome sind Folgen der früh gefällten Entscheidung des Kindes. Die Behandlung besteht darin, das Erwachsenen-Ich (Er) aus seinem Exil zurückzurufen und ihm wieder die Entscheidungsgewalt in Fragen der Kausalität zu übertragen. («Er soll sagen, welche Wirkungen auf welche Ursachen zurückgehen.») Da die Grenze zwischen Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich zerstört ist und der Mensch von Gefühlen überwältigt wird, muss dem Patienten häufig durch beruhigende oder antidepressive Medikamente oder durch Elektroschock-Behandlung geholfen werden. Wenn das Kindheits-Ich einmal beruhigt ist, fängt das Erwachsenen-Ich an zu funktionieren und lässt sich dazu ermuntern, die Gründe für die «unerklärlichen» Stimmungswechsel des Patienten herauszufinden. Am Anfang war das Kind «ihnen» ausgeliefert. Jetzt kann der Mensch zu der Erkenntnis kommen, dass das,
was er tut
, über Lob oder Tadel entscheidet. Was er heute an Lob und Tadel erhält, mag nicht so intensiv sein wie damals in der Kindheit – das Lob bewirkt nicht das manische Hoch, der Tadel nicht das depressive Tief –, aber er ist befreit von der extremen Angst vor dem Nichtvorhersehbaren, die sogar in der manischen Phase gegenwärtig ist.

Der Langweiler
    Es gibt einen Typ der «trockenen» Persönlichkeit, die in ihrem Eltern-Ich und in ihrem Kindheits-Ich so flaue Aufzeichnungen hat, dass ihr innerlich der Rohstoff für einen farbigen Charakter fehlt. Klinisch findet sich das am häufigsten bei einem Menschen, der an einer vagen Depression leidet («Glück ist für andere Menschen da») oder einfach vom Leben gelangweilt ist. Seine Eltern waren stumpf, sie äußerten sich kaum je und ließen ein seltsam zwiespältiges Gefühlsleben (Ambivalenz) erkennen. Es gab selten Strafe und selten Belohnung. Als Kind durfte er nie die Wunder und Abenteuer der lockenden Welt da draußen genießen und erleiden, er hatte selten Beziehungen zu anderen Kindern, und obwohl er ein ‹braver› Junge insofern war, als er keinen besonderen Ärger machte, gehörte er nicht zu den Kindern, die einem auffallen. Sein Erwachsenen-Ich nahm die Wirklichkeit korrekt auf, doch die Wirklichkeit selbst war langweilig. Als Erwachsener kann er ohne weiteres ein emanzipiertes Erwachsenen-Ich haben, das allerdings keinen positiven Wert darin sieht, sich mit anderen Menschen in nähere Beziehungen einzulassen. (Derartige Werte werden im Allgemeinen zuerst im Eltern-Ich aufgestellt, wenn sie überhaupt Eltern-Ich-Werte sind.) Seine Persönlichkeit gleicht einer Rechenmaschine. Während sich andere bei einer Party amüsieren, blättert er in der Ecke eine Illustrierte durch und tut das einzige, was er kann – er sichtet Daten. Wenn er sich endlich in Behandlung begibt, stellt er Fragen wie: «Ist das alles?» Obwohl er für die Gesellschaft kein Problem darstellt, ist er sich selbst ein Problem. Er ist beschränkt, und er empfindet sich selbst und das Leben insgesamt als so eng und eingeschränkt, so kleinkariert wie damals in seinen ersten Jahren.
    In gewissem Sinne trifft hier der Satz des englischen Mathematikers und Philosophen Alfred North Whitehead (1861–1947) zu: «Moralische Erziehung ist ohne die ständige Vision der Größe unmöglich.» Wenn «Moral» im Sinne eines Wertsystems verstanden wird, und wenn «kein Langweiler sein» oder «für andere Menschen interessant sein» oder «kreativ und produktiv sein» als positive Werte betrachtet werden, dann leuchtet ein, dass ein Mensch, dessen erste Lebenseindrücke langweilig waren, selbst langweilig wird, es sei denn, er fände sich

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