Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
bedrohlichen Situation so lange wie möglich unverändert beibehalten wird. Das konstante Eltern-Ich, das konstante Erwachsenen-Ich und das konstante Kindheits-Ich entstehen alle primär aus dem defensiven Ausschluss der beiden Komplementär-Aspekte in jedem Fall.» [29]
In einer solchen Situation kann ein Ausschließendes Eltern-Ich das Kindheits-Ich «blockieren» oder ein Ausschließendes Kindheits-Ich das Eltern-Ich.
Der Mensch, der nicht spielen kann
Typisch für die Trübung des Erwachsenen-Ichs durch das Eltern-Ich bei gleichzeitiger Blockade des Kindheits-Ichs (Abb. 31) ist der von seinem Pflichtbewusstsein beherrschte Mann, der immer Überstunden macht, stets an das Geschäft denkt und gereizt reagiert, wenn seine Familie einen Ski-Ausflug oder ein Picknick im Grünen plant. Es ist, als wäre er irgendwann in seiner Kindheit von ernsten, strengen, pflichtbewussten Eltern so rücksichtslos zusammengestaucht worden, dass er die einzig sichere weitere Lebensmöglichkeit darin sah, sein Kindheits-Ich völlig auszuschalten, es zu blockieren. Durch Erfahrung hatte er gelernt, dass es immer Ärger gab, wenn er seinem Kindheits-Ich freien Lauf ließ: «Geh in dein Zimmer», «Kinder soll man sehen, nicht hören», «Wie oft muss ich dir noch sagen …»,
«Werde endlich erwachsen!»
Wenn dieser kleine Mensch zudem für völlige Anpassung, Fleiß, Anstrengung, Unterwürfigkeit und prompte Befehlserfüllung belohnt wurde, dann mussten ihm die absolute Anpassung an das Eltern-Ich und die totale Blockierung kindlicher Impulse als der Pfad der Tugend erscheinen.
Abb. 31
Eltern-Ich-getrübtes Erwachsenen-Ich mit blockiertem Kindheits-Ich
Im Kindheits-Ich eines Menschen dieser Art ist wenig Glück registriert. Wahrscheinlich wird er nie sein glückliches Kindheits-Ich zeigen können, weil er sehr wenig davon hat. Man kann ihm jedoch zu der Erkenntnis verhelfen, dass seine Einstellung nicht fair ist gegenüber seiner Familie und seinen Kindern und dass seine Ehe tatsächlich scheitern könnte, wenn er weiter versucht, das Kindheits-Ich seiner Frau und seiner Kinder zu blockieren. Wenn er sein Erwachsenen-Ich zielbewusst anstrengt, kann er mit seiner Familie eine Reise machen, auf seine Überstunden verzichten, die Geschichten seiner Kinder liebevoll anhören (eine Fähigkeit des Erwachsenen-Ichs) und an deren Leben teilnehmen. Sein Erwachsenen-Ich kann ihm das Ziel setzen, liebevoll zu sein und sein Familienleben zu erhalten. Er wird weder die Art seines Eltern-Ichs ändern noch ein glückliches Kindheits-Ich schaffen können, das nicht in ihm ist. Doch er kann Einsicht gewinnen, die es ihm ermöglicht, ein befriedigendes Leben in der Gegenwart aufzubauen.
Der Mensch ohne Gewissen
Ein ernsteres Problem vor allem für die Gesellschaft stellt die Trübung des Erwachsenen-Ichs durch das Kindheits-Ich dar bei gleichzeitiger Blockade des Eltern-Ichs (Abb. 32). Dazu kommt es bei einem Menschen, dessen Eltern (oder deren Vertreter) so brutal und bedrohlich oder, im anderen Extrem, so sinnlos nachgiebig waren, dass er sie «aussperren» oder blockieren musste, um überleben zu können. Das ist typisch für den Psychopathen, den Menschen, der irgendwann früh in seinem Leben die erste Grundanschauung: ICH BIN NICHT O.K. – DU BIST O.K . aufgibt und eine neue annimmt, nämlich ICH BIN O.K . – DU BIST NICHT O.K . Dieser kleine Mensch folgert richtig, dass seine Eltern tatsächlich NICHT O.K . sind. Sie sind in einem solchen Maße NICHT O.K ., dass er sie völlig ausschließt. Im Extremfall tut er das durch Mord. Sonst schließt er sie zumindest psychisch aus, sodass er in gewissem Sinne keine Eltern und damit auch kein Eltern-Ich hat. Er schließt das quälende Eltern-Ich aus, doch damit schließt er auch das wenige «Gute» aus, das im Eltern-Ich ist. Ein solcher Mensch hat für seine gegenwärtigen Transaktionen keinerlei Aufzeichnungen zur Verfügung, die Daten über alles vermitteln, was mit sozialer Kontrolle zu tun hat, mit angemessenem «Man darf» und «Man darf nicht», mit gesellschaftlichen Normen oder mit dem, was in
einem
Sinne unser Gewissen ist. Sein Verhalten wird vom Kindheits-Ich bestimmt, das mit Hilfe des von ihm getrübten Erwachsenen-Ichs andere Menschen seinen eigenen Zwecken entsprechend manipuliert. Sein Erwachsenen-Ich kann Konsequenzen im Voraus berechnen, doch ihn interessiert daran vor allem, ob er erwischt wird oder nicht. Der Gedanke an andere spielt in diesen Berechnungen so gut wie
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