Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
kosmische Realität ist die Zeit. Wir können Spekulationen anstellen über Anfang und Ende unserer irdischen Existenz. Wir können angesichts des unbegreiflichen Todes auf die Unsterblichkeit vertrauen. Doch genau wie bei unseren Bemühungen um eine Definition des Raumes müssen wir bei unserer Definition der Zeit dort ansetzen, wo wir selbst stehen. Wir wissen nur, dass die durchschnittliche Zeitration eines Menschen siebzig Jahre beträgt. Jeden von uns beschäftigt es, was er mit diesem Vorrat anfangen soll. Am unmittelbarsten interessiert uns, was wir mit den kleineren Zeitabschnitten anfangen sollen, die zum Greifen nahe sind: die nächste Woche, der nächste Tag, die nächste Stunde, diese Stunde.
Wir alle sind mit Disraeli darin einig, dass das «Leben zu kurz ist, um klein zu sein». Doch unsere größte Enttäuschung rührt daher, dass vieles im Leben so jämmerlich klein ist. Vielleicht ist eine Untersuchung über unseren Umgang mit der Zeit noch bedeutungsvoller und sensationeller als die Raumforschung. «Welch ein Unsinn», sagte John Howe, «den Gedanken zu fürchten, man könne sein Leben auf einmal wegwerfen, und doch bedenkenlos Stück für Stück davon zu verschleudern.»
Wie beim Raum geben wir uns nicht damit zufrieden, die Zeit einfach nur als unendlich zu begreifen. Viele Menschen quält die Frage: «Wie komme ich über die nächste Stunde hinweg?» Je mehr die Zeit strukturiert ist, um so weniger stellt sich diese Frage. Sehr beschäftigte Menschen mit vielen äußeren Verpflichtungen haben keine Zeit übrig. Die «nächste Stunde» ist immer längst verplant. Diese Planung oder Strukturierung wollen die Menschen, und wenn sie das nicht selbst erreichen können, suchen sie sich andere, die für sie die Zeit strukturieren: «Sag mir, was ich tun soll», «Was mache ich als nächstes?», «Was wir brauchen, ist Führung.»
Strukturhunger ist eine Folge des Hungers nach Anerkennung, der aus dem ursprünglichen Streichelhunger entstanden ist. Das kleine Kind hat noch nicht den nötigen Begriff von Zeit, um sie zu strukturieren. Es tut einfach Dinge, die ihm angenehm sind, es lebt ganz dem Augenblick. Wenn das Kind etwas älter wird, lernt es, Vergnügungen zugunsten größerer Belohnung zu verschieben: «Ich könnte jetzt draußen mit Susi in der Pfütze matschen, aber wenn ich noch eine halbe Stunde warte und mein schönes Kleid anbehalte, dann kann ich mit zum Einkaufen gehen.» Das ist grundsätzlich ein Problem der Zeitstrukturierung. Welche Alternative wird mehr Spaß machen? Welche wird sich mehr lohnen? Wenn wir älter werden, steht immer mehr zur Wahl. Doch die NICHT O.K .-Anschauung hindert uns daran, von diesen Wahlmöglichkeiten so unabhängig Gebrauch zu machen, wie wir es zu tun glauben.
Bei unserer Erforschung der zwischenmenschlichen Transaktionen haben wir sechs formale Erlebniskategorien aufgestellt, die sämtliche Transaktionen umfassen. Die sechs Kategorien sind
Rückzug
Aktivitäten
Spiele
Rituale
Zeitvertreib
Intimität
Obwohl
Rückzug
keine Transaktion mit einem anderen Menschen ist, kann er dennoch in gesellschaftlichem Rahmen stattfinden. Ein Mann, der mit einer Gruppe langweiliger Kollegen zu Mittag isst, die mehr an ihrem eigenen Streicheln interessiert sind als an seinem, kann sich in die Vorstellung von der letzten Nacht zurückziehen, als das Streicheln gut war. Sein Körper sitzt noch am Tisch, aber «er» ist fort. An einem schönen Frühlingstag sind die Klassenzimmer voll mit Körpern, deren «Einwohner» draußen im Freibad sind, mit einer donnernden Rakete in den Weltraum sausen oder daran denken, wie schön es gestern Abend auf der Parkbank war – mit ihr! Wann immer sich Menschen auf diese Weise zurückziehen, bleiben sie von jenen getrennt, mit denen sie körperlich zusammen sind. Das ist ziemlich harmlos, wenn es nicht ständig geschieht oder wenn nicht gerade die eigene Frau mit einem spricht.
Ein
Ritual
ist ein gesellschaftlich programmierter Gebrauch der Zeit, bei dem jeder bereit ist, das gleiche zu tun. Es bietet Sicherheit, es verlangt weder Bindungen noch Verwicklungen mit anderen Menschen, das Ergebnis ist vorhersehbar, und es kann angenehm sein, sofern man mit den anderen übereinstimmt oder das Richtige tut. Es gibt religiöse Rituale, Grußrituale, Cocktailparty-Rituale, Schlafzimmerrituale. Das Ritual ist dazu bestimmt, eine Gruppe von Menschen über die Stunde hinwegzubringen, ohne dass sie einander zu nahe kommen müssen. Sie können,
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