Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
ich stark behaarte Beine Und deine Hygiene ist nicht meine.
Dann ist da noch der Karl, heute Rente, früher Bergbau. Wenn Karl ein Tier wäre, wäre er das Gegenteil eines Kolibris - vielleicht ein Braunbär mit Schildkrötenpanzer. Karl ist mindestens 88 Jahre alt, atmet noch und riecht schlecht. Er hängt gern über Nachbarschaftsjägerzäunen, die Häuser umzäunen, aus denen die Nachbarn schon vor Jahren ausgezogen sind. Er spricht wenig, mit wem auch und vor allem worüber? Karl hat einen Lieblingssatz, den er immer nur zu sich selbst sagt: "Ich bin nicht nur alt, sondern auch total kaputt, aber ich habe Hoffnung." Worauf er hofft, verrät er mir nicht. Vielleicht auf die Wiederholung aller Heinz Rühmann-Filme in der ARD? Oder einfach nur, dass der Kaffee endlich durchläuft? Oder auf den Tod? Karl schweigt und stinkt. Die Natur ist leise, aber nicht geruchsneutral.
Dann ist da noch Rolf Eden in mir: 80 Jahre alt, sich selbstüberschätzender Playboy, und der wohnt irgendwo in meinem Genitalbereich. Kürzlich wurde er im Stern gefragt, ob die Frauen wohl noch auf ihn stünden, worauf er dann mit der ihm eigenen Selbstüberschätzung einer siegesgewissen Nacktschnecke beim 110-MeterHürdenlauf antwortete: "Es gibt natürlich auch Frauen, die mich ablehnen, klar. Neulich hatte ich grad ein Mädel bei mir zu Hause, die war neunzehn oder zwanzig und bildschön. Ich habe Klavier gespielt, es gab Champagner. Als es dann so weit war, hat sie gesagt: Seien Sie mir bitte nicht böse, aber Sie sind mir zu alt. Die habe ich jetzt wegen Diskriminierung verklagt." Originalzitat!!
Dann ist da noch Sven, Sven ist 28 und Künstler. Er trägt immer so Rollkragenpullover und man sieht immer nur sein halbes Gesicht, und das ist irgendwie immer nur die Hälfte an seinem Gesicht, die scheiße aussieht. Alles, was er anfasst, geht kaputt oder wird Kunst. Sogar Dinge, die ihm kaputtfallen, nennt er anschließend Kunst. Alles ist Kunst und jeder ist ein Künstler, dass sind so Meinungen, die Sven absondert. Es geht Sven nicht sehr gut. Neulich hat er eine Installation gemacht und aus den blutigen Eingeweiden von geklauten Laborratten auf der Domplatte in Köln die Mona Lisa nachgemalt. Dann hat er sich ausgezogen und ist nackt um sein Bild getanzt und hat gesungen: "Ja, sie hat mich angelächelt."
Außerdem ist da noch Andreas - irgendwie gibt es ja überall einen Andreas, manchmal heißt der Andreas auch Michael oder Stefan. Gerade Mitte vierzig geworden, fühlt er sich in der Mitte seines Lebens genauso unwohl wie hinten oder vorne in seinem Leben. Vorn in seinem Leben war viel Dreck, hinten wird auch solcher sein, die Alten erzählen schon davon. Er trägt einen Mittelscheitel. Er ist mittelmäßiger Lebensmittelvertreter, fährt einen Mittelklassewagen, macht Urlaub in Mittelgebirgen.
Alles an ihm ist ausgewogen: seine Ernährung, seine Gedanken, seine Worte, seine Liebe, er selbst. Er behält seine Meinungen gerne für sich, denn es sind ja SEINE Meinungen, und wenn man ihm sagt, wie toll die Party war, was man alles verpasst, wenn man "Wetten Dass" guckt, dann sagt er nur allzu gerne: "... mmmhhhh ..."
Und am Ende bin da noch ich, 25 Jahre alt, irgendwie eine Art Autor, und ich schaue mir dieses Menschenpuzzle in mir an und frage mich, wer die eigentlich alle reingelassen hat. Und dann sage ich: "Ich bin wie ihr, ich bin wie alle, ich bin schizophren und mir allen geht es gut, danke der Nachfrage. Ja, ich melde mich. Auf Wiedersehen." Und dann geh ich, aber wirklich, denn diese Leute nerven schon mal.
IrgendEINgehen oder
In love with a Schlampe oder
Emotionsextremismus und ein glückliches Ende
Irgendein besoffener Samstag hinter den Türen des neuen Jahrtausends. Das Wochenende ist für viele immer noch dazu da, sich und ihr Leben zu feiern. Die meschuggenen Dekadenten werden nicht alle, die Dekadenten, die stilvoll Leben klöppeln schon. Diese Diskrepanz disst in einer Direktheit, die kaum aushaltbar an Tanzflächenrändern Menschen wie den Verfasser dieser Worte stehen lässt. Deswegen steht er da auch nicht, sondern lümmelt sich auf irgendeinem Sofa aus dem vorangegangenen Jahrtausend, starrt an die Decke und denkt sich seinen Teil.
Discoterror ist anderswo. Zum Beispiel hier. Samstag. Irgendwas nach eins. Irgendwie gefühlte 45 Grad im Arsch und trommelfellkrebserzeugende Laute aus überdimensionierten Beschallungsanlagen. Dazu Licht und Schweiß und Blut und Tränen und den Orgasmus im Kopf - der, der nie kommen
Weitere Kostenlose Bücher