Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
da, sie spielen das Beste aus den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern und tun es dann doch nicht - es läuft Brian Adams.
Ich bin schizophren und es geht mir allen gut, danke
"Guten Tag", sagt da so ein Dahergelaufener, "wie geht es dir?" Normalerweise ist das nichts für mich, dahergelaufenen Menschen irgendwelche Auskünfte über meine Befindlichkeit zu erteilen. Also nicht einfach so. Ich denke also darüber nach, über die Fragestellung, und finde sie erstmal undifferenziert, weiß ich doch um den Umstand, in mir nicht alleine zu sein. Monströse und schwierige Frage, denke ich wahrheitsgemäß und antworte: "Monströse und schwierige Frage", um dann doch zu ergänzen: "Ich bin schizophren und es geht mir allen gut."
Dann stelle ich dem Wissbegierigen ungefragt im Einzelnen die Leute vor, die da in mir wohnen. Sie bevölkern mich wie ein Mietshaus. Sie leben, essen, schlafen in mir. Und sie sind viele, und ich beschränke mich auf die, die in den letzten sieben Minuten eine Lautäußerung gemacht haben.
Da ist zum Beispiel der Rainer: 37 Jahre alt, seit vierzig Jahren Single und Kfz-Mechaniker. Bei Rainer ist es immer Sommer und nie ist sein Blut da, wo es gut wäre, um damit denken zu können. Es ist Sommer und Rainer mittendrin und er hält es nicht aus diese Arschparade, diese wogenden - keine Ahnung mehr, wie die heißen - und Rainer schreit mich jeden Tag an: "Dieses Sexding wird doch total überbewertet."
Da ist außerdem die Karin, 25 Jahre alt, Waldorfschulabsolventin, und sie hat gelernt, Dinge abzulegen wie Schwermut oder Logik. Karin tanzt so gern ihren Namen, manchmal sogar ihre ganze Adresse und wer will, bekommt auch ihren Lebenslauf getanzt. Die Karin töpfert gerne Töpfe auf ihrer Töpferscheibe. Karin flüstert mir manchmal ins Ohr: Ich bin so ultraharmonisch drauf, man bräuchte ein neues Wort für Harmonie, um mich zu beschreiben - pastellrosa Plüschbuddha oder so.
Dann ist da noch Uwe, Alter unbestimmbar, der geborene Verlierer. Er ist haltloser Sozialabschaum, achtlos weggeblasen von Mitmenschen jeder Art. Dingen wie Uwe passieren häufig böse Menschen. Uwe ist einer, der die meiste Zeit seiner Hauptschulkarriere damit verbracht hat, mit dem Kopf im Klo zu stecken, entweder weil er fasziniert war von der mystischen Unterwasserwelt, oder weil seine Mitschüler ihn kopfüber dort hineingehalten haben. Uwe ist so was wie ein sozialer Brennpunkt, ein menschliches Krisengebiet, immer schon gewesen. Uwe sagt beim Frauenanmachen Sätze wie: "Baby, mein Schwanz ist zwar sehr klein, aber dafür auch total dünn." Außerdem sagt er gerne, abseits jeder Selbstverständlichkeit und Logik: "Ich hab mich zwar jetzt total verfahren, dafür aber auch sehr teuer getankt." Solche Weisheiten sind golden, zumindest von innen.
Als ich Uwe zuletzt weinend in irgendeiner Ecke meiner Seele traf, behauptete er, er hätte einen "Insektenschwarm im Auge".
Außerdem ist da noch die Birte, 42 Jahre alt, Aushilfe im Bioladen und Schnauzbartträgerin. Dabei geht es um so schwarze, harte Fusseln, die sind in Birtes Gesicht, seit sie dreizehn geworden ist. Die sind einfach da und die Schönheit verging trotzdem nie. Sie sieht ein bisschen aus wie Charlotte Roche, die sich in ein benutztes, zusammengeknülltes und halb gebatiktes Kleid aus Toilettenpapier gehüllt hat. Eben eine Diva mit abgelaufenem Verfallsdatum. Birte spielt gern Gitarre und nimmt gern Drogen, und am allerschönsten wird es, wenn alles zusammenkommt. Gitarrenmusik und Drogen. Birte ist schön, trotz Schnauzbart, und verwirrt, wegen Schnauzbart, also ist sie schön verwirrt und jetzt irrt sie wieder umher und fragt mich, wo denn das fette Piece sei, dass sie übergestern noch dort hingelegt hätte, und dann träumt sie noch von eleganten Elefanten und nimmt ihre Gitarre und singt ein Lied - und das geht so: Liedermacherdrogenrausch - Pflanzenraucherpartnertausch Augenblicksgedankenreise - jeder macht's auf seine Weise Bioladenglücksgefühle - keine Tenside durch die Spüle Räucherstäbchenriecherglück - alles ist eins und ich nur ein Stück Und Birte reimt weiter: Duschgel bringt der Haut Verfall Deswegen lass ich's waschen überall Deswegen kennt niemand mit Glied Mein allerschönstes Feuchtgebiet.
Und Birte singt: Atomkraftwerke sind mir fremd Ich sammel meinen Stuhlgang, keine Frage Und den verbrenn ich permanent In meiner Biogasanlage.
And the song goes on: Ich habe Haare im Gesicht Auch unter den Achseln stör'n sie mich nicht Auch hab
Weitere Kostenlose Bücher