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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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noch, dass die Leseshow heute Abend mal spontan abgesagt worden war, weil man mich schlicht vergessen hätte, außerdem wäre keine Werbung gemacht worden. Er bot mir Geld an, um das Veranstaltermissgeschick zu besänftigen. Ich nahm die Summe an, wusste aber, dass ich davon nie was sehen würde, ich wusste es schon, als ich mein Telekommunikationsendgerät ausmachte und meinem mitreißenden Mitreisenden von dem Vorfall erzählte. Wir berieten kurz, wie zu verfahren sei. Umkehren oder weiterfahren oder irgendetwas anzünden und hoffen, dass Feuerhitze zu Herzenswärme wird. Wir waren ein wenig ratlos, dem Pferd war egal, wo es hingehen sollte. Ich konsultierte einen Dritten. Ich rief meinen besten Mann in Leipzig an, Chief Alex. Der Dialog rannte folgendermaßen durch unsere Telefone: Er: Du? Ich: Ja, ich, Problem. Lesung is nich, weil Typ von Laden blöd. Er: Wie blöd? Ich: Ja, blöd halt. Die haben vergessen, die Veranstaltung zu bewerben. Er: Ich besorg dir was anderes. Ich: Aber nix mit Probleme und Studenten bitte. Er: Geht klar, kleinen Moment.
    Zehn Minuten vergingen, das Telekommunikationsendgerät meldete sich erneut und gab Chief Alex' Stimme preis.
    Er: Hab wat. Ich: Wat? Er: Studentengeburtstag, alle dir hochintellektuell überlegen. Freun sich aber ... Ich: Saufen? Er: Umsonst! Ich: Gage? Er: Nix. Ich: Mädchen? Er: Bildungselite. Ich: Unterwegs, bis gleich.
    Wir ritten also weiter, die Entscheidung war gefallen, außerdem waren wir ja fast schon bis ins Landesinnere von Thüringen vorgedrungen, Umkehr wäre ohnehin dumm gewesen. Gut, man hätte auch sein Zelt in Thüringen aufschlagen können, eine der allerschönsten Gegenden im bundesdeutschen Raum. Und das meine ich wirklich ernst. Wir ritten erstmal weiter. Thüringen durchquerend. Irgendwann war dann da Sachsen und die Gegend wurde wieder interessanter, also wenn man Ruinen mag.
    Dann ritten wir irgendwann in Leipzig ein, besuchten kurz Chief Alex, der uns auch sein WG-Zimmer zum Nächtigen zur Verfügung stellte. Dort legten wir uns erstmal kurz hin, unterhielten uns mit dem großartigen Alex und rauchten einige Filterzigaretten, und es gab Kaffee und Brote mit Kräuterbutter, die aus einem ranzigen WG-Ofen geschält wurden.
    Lecker is something different, aber die Reise war beschwerlich und so ging es, denn da war ein Hunger. Er hatte für alles gesorgt - außer Bier. Bier war aber wichtig nach so einem langen Ritt, Bier und Zigaretten.
    Unterhalb der Wohnstätte gab es einen twentyfourhour Supermarkt und die hatten tatsächlich: vier Flaschen Becks. Und sonst nur Scheiße. Ich stellte dem Inhaber höflich die Frage, ob sich denn noch Bier dieser Sorte irgendwo in Lagerräumen aufhielte, worauf er nur schmunzelte, um dann in seiner Landessprache zu antworten: "Nö, dös is aus, kömmt äber näckschte Woche wiedor rei." Nächste Woche? Ich meine, wir sind hier in Leipzig, das ist eine Metropole, da flackert die Luft, wenn es Strom gibt und so. Die armen Menschen, dachte ich mir, müssen die echt eine Woche auf anständiges Bier warten.
    Ich zahlte und machte noch ein ostdeutsches Kummergesicht (siehe Foto) zum Abschied und der Mann an der Registrierkasse verstand mich. Er lächelte mich an und es war eines dieser Lächeln, die man nur von Menschen bekommt, die einem, wäre Verständnis ein Ball und man selbst ein Delfin, diesen Ball an den Kopf werfen würden, um dann zu erwarten, dass man diesen Ball möglichst lange auf der Stirn jonglieren kann. Wir konnten. Alle.
Ostdeutsches Kummergesicht, 21.02.2008 in Leipzig beim "Einkaufen"
(C)opyright by Kodde
    Dann liefen wir, bewaffnet mit Bier und Liebe, durch dunkle Ecken von Leipzig, drei Menschen, zwei Gitarren und lediglich vier Halbliterpullen Becks. Nach zehn Minuten Fußmarsch war noch eine Flasche da.
    Wir mussten in den dritten Stock und da tat sich vor unseren Augen eine Party auf, die von Studenten dominiert wurde. Adam Green lief im Radio, rauchend standen Hippiemädchen auf dem Balkon und diskutierten angeregt über Seminare der Zukunft und der Vergangenheit. Bierflaschen wurden geleert, aber nicht auf die Art, wie ich es vorhin tat, sondern auf eine viel entspanntere. Es gab auch Wein für die Ästheten und Wasser für die Wassertrinker.
    Zur Lesung nahm ich auf einem Bananenkarton Platz, der sich sofort in Form meines Arsches bog und somit optimalen Sitzkomfort bot. Der Gitarrist nahm auf einer Liegewiese Platz, auf der die Studentinnenanführerin und Gastgeberin wohl sonst ihren Kopf

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