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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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finden und anderen Menschen wie Senioren, Kindern und Behinderten von Gott zu berichten. Aha, dachte ich, und Tamara wollte mit mir Kaffee trinken und ich dachte, verschüttete Existenzen können bestimmt tolle Geschichten erzählen, und wir gingen in ein Café in der Nähe des Doms. Es war bereits 18 Uhr 30.
    Tamara erzählte mir von Gott und ihrer Suche nach Liebe und immer wieder Gott und Gott und nochmals Gott, weil der ist überall und macht das Leben gut. Ok, die Essstörung, die ich seit fünfzehn Jahren habe und der Tod aller meiner Angehörigen an einem Tag, nun ja, das kommt vor in Gottes Welt. Auch schlimm die drei Vergewaltigungen, Schuppenflechte, jedes Jahr ein kleiner Schlaganfall und manchmal spontanes Nasenbluten. Nun ja, Gott weiß, wofür ...
    Ich fragte Tamara, warum sie denn so eine Scheiße von der Liebe Gottes sänge und sie sagte: "Schon das Volk Israel wusste, dass es Gott mehr noch als im Gebet im Gesang loben und preisen kann. Das Buch der Psalmen gibt ein beredtes Zeugnis davon." Und ich antwortete: "Ich glaub, wir könnten die Wogen glätten, wenn wir die richtigen Drogen hätten." Tamara wurde kurz rot, ignorierte aber den geilen Reim, der mir soeben aus dem Gesicht gefallen war.
    Wir unterhielten uns weiter und sie war so unnachgiebig wie gutherzig. Sie wollte mir nicht glauben, dass die christliche Hirnwaschmaschinerie auch bei ihr gewirkt hätte. Sie wäre doch eine Gefangene des Glaubens, sagte ich zu ihr und ich schlug ihr vor, sie solle eigentlich folgendes Lied singen: Mir ist es egal, dass mich niemand fickt Ich habe Pech in der Liebe und Pech im Gesicht Trotzdem bin ich so doof und lobe den Herrn Oh Gott, ich hätte mich gern gern.
    Tamara verstand, dass ich sie beleidigt hatte, war aber nicht sauer, sondern lächelte und bestellte sich eine Kanne Kakao mit dreifach Sahne und eine große Portion Pommes. Ich fragte mich einfach nur, warum hasst Gott die Leute, die ihn am meisten lieben? Warum ist der Typ so ungerecht zu dieser planlosen Frau mit gutem Willen und kindlicher Naivität? Diese Frau war ein schwaches Zeichen ewiger Liebe und ein starkes Zeichen endloser Dummheit, aber sie war mir total sympathisch. Sie fragte mich, ob wir uns öfter mal treffen könnten, einfach nur zum Philosophieren und ich sagte: "Heil Satan, das ist eine tolle Idee."
    Dann kam so eine Frau an unseren Tisch, schlank und stinkbesoffen, und sie schaute wie diese Frauen, die alle gucken wie Schafe, weil sie Komplimente, Getränke oder Parkplätze haben wollen, und die sagte mit französischem Akzent: Mein Name ist Chantalle Und isch hatte sie schon alle Aber disch Disch noch nisch.
    Sie gefiel mir, ihre Besoffenheit und ihre daraus resultierende Direktheit imponierten mir. Das hatte ich zuletzt in Berliner Kneipen um fünf Uhr morgens erlebt, so direkt angesprochen zu werden, aber damals handelte es sich auch um einen jungen Mann, der sich bei mir im Geschlecht geirrt hatte. Aber Chantals Satz drang zu mir vor, das beeindruckte mich mehr als fast zwei Stunden Tamara, und ich ging mit Chantal mit, ließ Tamara und ihre Gitarre allein, und sie winkte mir hinterher und sagte nur: "Bis bald!" Ich musste husten, nein kotzen wäre es fast geworden, aber husten wurde es nur. Ich freute mich auf spontanen Sex mit einer netten besoffenen Französin, die mich wohl für jemand anderen hielt.
    Der Weg mit ihr war aber nur von kurzer Dauer. Vor dem Café empfing uns ein Kamerateam, denn Chantal war nur eine Angestellte für eine Versteckte-Kamera-Produktion. Ich nahm es mit Humor, Chantal war eigentlich Deutsche und nahm ein Getränk vom Kameramann und dann ein Taxi nach Hause, und dann war es Zeit, ich musste anfangen zu lesen ...
    Die Lesung war wirklich gut. Die energetische Entfaltung aus der Enttäuschung mediales Dummopfer geworden zu sein mischte sich gut mit dem Bewusstsein, dass Tamara ein guter Mensch sein kann, aber nicht darf, weil Gott oder so. Später trank ich noch mit echten Trierern und Duisburger Mädchen in einer Kneipe und aß Oliven aus einer Urinschale. Die Leute haben echt Stil in Trier.
    Als ich am nächsten Tag übelst verkatert erwachte, hörte ich unter dem Fenster eine Frauenstimme und eine alte kaputte Gitarre - die Frauenstimme war die von Tamara und sie sang: Mir ist es egal, dass mich niemand fickt Ich habe Pech in der Liebe und Pech im Gesicht Trotzdem bin ich so doof und lobe den Herrn Oh Gott, ich hätte mich gern gern.
    Scheinbar hatte sie tatsächlich nachgedacht. Ich warf ihr

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