Ich bin unschuldig
Erleichterung, mich hinzusetzen. Meine Beine sind wie Blei. »Haben Sie Ania Dudek irgendetwas verkauft?«
Ihr Gesicht verschließt sich. Ihre Hände ruhen flach auf dem Tisch. »Nein.«
Lügt sie? »Wissen Sie«, fahre ich vorsichtig fort, »ich habe oben einen großen Sack Kleider, die können Sie haben. Sonst gehen sie an einen Wohltätigkeitsladen. Behalten Sie den Erlös. Sie tun mir einen Gefallen.«
Sie reibt sich unter den Augen. »Aber …«
Es befriedigt mich, die Zeichen der Demütigung zu sehen, eine andere Röte, höher in den Wangen. Wahrscheinlich sollte ich empört sein, aber ich empfinde eher einen widerwilligen Respekt. Ist es so schlimm? Ich bekomme so viel geschickt. An einigen Sachen waren sogar noch die Preisschildchen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass sie fort sind.
»Haben Sie der Polizei von Ihren eBay-Geschäften erzählt?«
»Nein.«
»Haben die gesagt, sie würden Sie gern noch einmal sehen? Hat Perivale Ihnen sonst noch irgendwelche Fragen gestellt?«
»Nein.«
Ich lehne mich zurück. »Ich bin platt. Die ganzen Beweise, die sie über den Mord an Ania Dudek zusammengetragen haben, sind nicht mit mir verknüpft, sondern mit diesem Haus. Es könnte jeder sein. Heute hat Perivale gesagt, er hätte noch etwas ausgegraben, auch wenn ich keine Ahnung habe, was. Vielleicht hat es nichts damit zu tun. Was ich wirklich merkwürdig finde, ist, warum die Polizei Sie nicht genauso befragt wie mich.«
Sie zuckt die Achseln. »Perivale hat gesagt, er weiß, dass ich nicht die Mörderin bin.«
Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so schwerfallen würde, das, was ich fragen möchte, in Worte zu fassen. »Woher wissen Sie das?«, frage ich schließlich.
»Woher ich weiß, dass ich nicht die Mörderin bin?«
Ungewollt muss ich lachen. »Woher Sie wissen, dass er weiß, dass Sie nicht die Mörderin sind, ja.«
»Ich weiß es, weil ich es nicht getan haben kann. Ich war die ganze Zeit mit einer anderen Person zusammen.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, mit wem?«
Sie setzt zu einer längeren Geschichte an, und zuerst begreife ich nicht, worauf sie hinausläuft. Es geht um Millie und einen Albtraum. In der Nacht, in der Ania ermordet wurde, »hatte Millie Angst und kam in mein Bett«. Einzelheiten landen in meinem Gehirn – Marta hat Millie etwas vorgesungen und ihr Geschichten über Hühner erzählt –, aber ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Wie die Geschichte endet, höre ich nicht.
»Tut mir leid? Was haben Sie gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass ich der Polizei erklärt habe, dass ich Ania Dudek nicht umgebracht haben kann, weil Millie die ganze Nacht bei mir war.«
Doch ich höre immer noch nicht richtig zu oder konzentriere mich nicht richtig, denn das ist mir egal. Mir ist egal, wer Ania Dudek umgebracht hat. Oder wessen Alibi Perivale überprüft hat und wessen nicht. Alles, woran ich denken kann, ist, dass Millie einen Albtraum hatte und nicht zu mir gekommen ist, ihrer Mutter, sondern zu Marta ging. Sie hat sich an ihren Rücken gekuschelt und ihre Arme und Beine um die ihren geschlungen. Diese Frau, die kompliziert sein mag und einsam und ein wenig hinterlistig, die sich meine Jeans ausborgt und mein Parfüm benutzt, hat meiner Tochter in der Nacht, in der Ania starb, etwas vorgesungen und sie umarmt und auf sie aufgepasst.
Und für einen Augenblick ist das alles, was zählt.
Als mein Handy klingelt, gehe ich beinahe nicht ran. Ich liege im Halbdunkeln auf dem Bett. Marta ist in ihren Abendkurs gegangen. Knarren und Ächzen und Kratzen in den Wänden. Auf der Trinity Road herrscht heute Abend starker Verkehr, oder der Wind steht in die falsche Richtung. Ab und zu erbebt das Haus. Meine Gedanken sind wieder in Aufruhr, alle Vernunft unter Unschlüssigkeit und Angst begraben. Ich habe das Gefühl, dass es noch nicht vorbei ist, dass etwas Schreckliches passieren wird.
»Hier ist Jack«, sagt er, aber ich weiß schon, dass er es ist. »Ich rufe an, um zu sagen, dass es mir leidtut.«
Ich gebe mich möglichst unbeteiligt. »Was tut Ihnen leid?«
»Es tut mir leid, dass ich ungehobelt und gefühllos war.«
»Das ist okay.«
»Also, das ist es nicht, oder? Ich hätte Sie niemals › TV -Gaby‹ nennen dürfen. Sie sind nicht TV -Gaby.«
»Na, das ist ja nett!«
»Sie wissen, was ich meine. Sie sind viel mehr als irgendjemand aus dem Fernsehen.«
»Danke.«
»Ich war ein Dödel.«
»Ein Dödel?«
Er lacht. »Benutzen wir das Wort
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