Ich bin unschuldig
etwas Nacktes und Gewöhnliches reduziert, und Jack möchte sich um diesen nackten, gewöhnlichen Menschen kümmern. Das weckt Zweifel, mit denen ich nicht umzugehen weiß.
»Soll ich vorbeikommen?«, fragt Jack.
In seinem Tonfall, seiner Ernsthaftigkeit ist etwas, was mich an seine Hände denken lässt, ihre Spanne, die stumpfen Finger, die dunklen Haare über den Knöcheln. Ich denke an sein Gesicht und wie seine Stimmungen sich auf einfache, unkomplizierte Art darin spiegeln. Unbefangen denke ich über seinen Körper nach und wie schwer er wäre, wenn er auf mir läge, die weiche Textur seines Haars zwischen meinen Fingern.
»Ich mache nichts Besonderes«, sagt er. »Ich bin allein. Als Höhepunkt des Abends hatte ich ein Glas billigen Weins und eine Pizza vom Lieferdienst geplant.«
Ein Glas billigen Weins und eine Pizza vom Lieferdienst. Eine Wohnung über einem Waschsalon, Etagenbetten voller Kinder. Wenn ich Philip nicht begegnet wäre, hätte ich wohl einen Mann wie Jack geheiratet. Mit ein paar mehr Rückschlägen, nicht ganz so viel Erfolg hätte sich Philip vielleicht sogar zu so einem Mann entwickelt. Jack ist mein alternatives Ende.
Mittwoch
Das Laken unter mir ist zerknittert und zusammengeknüllt; das Federbett liegt halb über mir, halb hängt es runter. Meine Kleider ziehen eine krumpelige Spur über die Fußbodendielen: mein T-Shirt und mein BH , mein Alltagsslip in der Jeans. Meine Achselhöhlen verströmen die salzige Feuchtigkeit von frischem Schweiß.
Die Toilettenspülung geht, und er steht in der Tür zum Bad, nackt, das Gesicht gerötet, der Körper lilienweiß. Er lächelt und lässt sich bäuchlings aufs Bett plumpsen. Die Matratze atmet aus.
»Hallo«, sagt er.
»Hallo.«
Er streckt den Arm an meinem Rücken hoch und rollt mich herum, sodass wir in Löffelchenstellung liegen. Sein Kinn kratzt über meinen Hals, und er liebkost meinen Nacken. »Ich mag es kurz«, sagt er. »Es gefällt mir wirklich gut.«
»Also, da bin ich ja froh«, sage ich. »Deine Zustimmung bedeutet mir offensichtlich sehr viel.«
Er ist direkt vom Flughafen nach Hause gekommen, ohne vorher im Büro vorbeizuschauen. Ich kann mich nicht erinnern, wann er das das letzte Mal gemacht hat. Die Haustür, der Rums seiner Tasche, dann rief er meinen Namen und war auch schon in der Küche. Ich aß gerade ein Müsli, und der Löffel katapultierte Getreideflocken und Milch über den Tisch. Ich hatte keine Zeit, meinen Schock herunterzuschlucken. Er war einfach da, mit ausgestreckten Armen, und verströmte Schmerz und Gefühle – halb betrunken, halb im Jetlag; ich weiß nicht. Eine Woge überdrehter Gefühle. Er wollte mich überraschen. Sobald seine Meetings abgeschlossen waren, hatte er nur noch nach Hause gewollt. Es war das Einzige, was ihm wichtig war. Ein Bootsausflug war geplant gewesen, aber … Mein Mund wurde gegen seine Schulter gepresst, mein ganzer Körper zerdrückt. Als ich überrascht auflachte, klang es wie ein Hicksen.
»Ich muss Millie sehen«, hatte er gesagt und sich aus der Umarmung gelöst.
»Sie ist in Suffolk bei Robin und Ian. Das habe ich dir doch gesagt.«
Er hielt mich auf Armeslänge von sich, um mich genauer anzusehen. »Deine Haare!«, sagte er. Und dann hielt er eine kleine Rede, die er sicher im Flugzeug vorbereitet hatte, in der Schlange vor dem Zollschalter, im Taxi: »Das Ganze tut mir wahnsinnig leid, Gaby. Ich weiß, dass du die Hölle durchgemacht hast. Es wird alles anders. Wir fangen neu an. Wir machen irgendwas, gehen irgendwohin, wohin du willst.«
»Okay.«
»Was ist mit der Polizei? Haben sie …«
»Es ist noch niemand angeklagt worden.«
»Haben sie dich in Ruhe gelassen?«
»Einigermaßen.«
»Gott sei Dank. Und in der Arbeit? Die haben dir ein paar Tage freigegeben?«
Wusste er es wirklich nicht?
»Gewissermaßen.«
»Gabs. Es tut mir so leid. Nicht nur … was dir widerfahren ist, sondern auch, wie ich mich verhalten habe … Ich kann nicht glauben … Komm her.«
Er zog mich an sich. Es war wie eine Ganzkörpermassage. Er war nicht er selbst. Er bemühte sich zu sehr. Marta kam in die Küche, und wir tauschten einen besorgten Blick. Sie verschwand die Treppe hoch. Ich hörte, wie ihre Tür zuging und die Dielen über uns knarrten.
»Musst du nicht ins Büro?«, fragte ich nach einem Augenblick.
»Nein. Sie können mir ruhig mal einen Tag freigeben.«
»Hast du was getrunken?«
»Nur die Miniflaschen Rioja im Flugzeug.«
»Hast du
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